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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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hinaus hat der Hexenkönig mich ersucht, ihm meine Söhne für eine besondere Aufgabe zur Verfügung zu stellen. Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung durch die Neuigkeiten, die du überbringst, in irgendeiner Weise beeinflusst werden wird.«
    Trull musste erst einmal seine Überraschung über diese Worte verarbeiten, ehe er sagte: »Als ich auf dem Weg ins Dorf war, ist mir Binadas begegnet …«
    »Er weiß Bescheid und wird binnen eines Mondwechsels zurück sein.«
    »Weiß Rhulad von diesen Dingen?«
    »Nein, auch wenn er euch begleiten wird. Ein Ungebluteter ist ein Ungebluteter.«
    »Wie du meinst, Vater.«
    »Und jetzt ruhe dich aus. Du wirst rechtzeitig zur Ratsversammlung geweckt werden.«
     
    Eine weiße Krähe hüpfte von einer vom Salzwasser gebleichten Wurzel herunter und fing an, im Abfall herumzupicken. Zuerst hatte Trull sie für eine Möwe gehalten, die sich im dämmrigen Abendlicht am Strand herumtrieb, doch dann hatte sie gekrächzt und war mit einer Muschelschale im hellen Schnabel vom Abfallhaufen zur Wasserlinie hinuntergeglitten.
    Zu schlafen hatte sich als unmöglich erwiesen. Die Ratsversammlung war für Mitternacht einberufen worden. Ruhelos, während die Nerven in seinen erschöpften Beinen kribbelten, war Trull zum nördlich des Dorfs und der Flussmündung gelegenen Kiesstrand gegangen.
    Und jetzt, während die Dunkelheit mit den trägen Wogen heranrollte, hatte er bemerkt, dass er den Strand mit einer weißen Krähe teilte. Sie hatte ihre Beute bis zu jener Stelle getragen, wo die Wellen ausliefen, und jedes Mal, wenn das Meer flüsternd heranglitt, tauchte der Vogel die Muschelschale ins Wasser. Sechsmal.
    Eine wählerische Kreatur, bemerkte Trull, während er zusah, wie die Krähe auf einen nahe gelegenen Felsblock hüpfte und an der Schale herumzupicken begann.
    Weiß war natürlich böse. Das war allgemein bekannt. Das Erröten der Knochen, Menandores abscheuliches Licht im Morgengrauen. Auch die Segel der Letherii waren weiß, was nicht sonderlich überraschend war. Und das klare Wasser der Calach-Bucht würde den Blick auf ein weißes Schimmern am Meeresgrund freigeben – die Knochen abertausender abgeschlachteter Robben.
    Diese Jahreszeit hätte für die sechs Stämme eine Rückkehr zum Überschuss bedeutet, man hätte beginnen können, die erschöpften Vorräte zum Schutz vor Hungersnöten wieder aufzufüllen. Gedanken, die ihn dazu brachten, diese unrechtmäßige Jagd auf andere Weise zu betrachten. Die Tat war im passenden Augenblick erfolgt, genau rechtzeitig, um den Stammesbund zu schwächen. Ein Trick, um die Position der Edur beim bevorstehenden Großen Treffen zu untergraben. Das Argument der Unvermeidlichkeit. Das gleiche Argument, das uns zum ersten Mal entgegengeschleudert wurde, als es um die Siedlungen am Ufer des Fingers ging. »Das Königreich Lether breitet sich aus, es muss wachsen. Eure Lager am Ufer haben schließlich nur zu bestimmten Jahreszeiten bestanden, und während des Krieges habt ihr sie alle aufgegeben.«
    Es war unvermeidlich, dass immer mehr unabhängige Schiffe kommen würden, um die reichen Gewässer vor der Nordküste zu befahren. Man konnte sie nicht alle überwachen. Die Edur brauchten sich nur die anderen Stämme anzusehen, die einst außerhalb der Grenzen von Lether gelebt hatten – wie sie dafür belohnt worden waren, dass sie König Ezgara Diskanar von Lether Lehenstreue geschworen hatten. Aber wir sind nicht wie die anderen Stämme.
    Die Krähe oben auf ihrem steinernen Thron krächzte und schleuderte die Muschelschale mit einer ruckartigen Kopfbewegung davon, breitete dann die geisterhaften Flügel aus und schwang sich in die Nachtluft. Ein letztes, lang gezogenes Krächzen aus der Dunkelheit. Trull machte eine abwehrende Geste.
    Hinter sich hörte er Steine unter einer Sohle knirschen, und als er herumfuhr, sah er seinen älteren Bruder auf sich zukommen.
    »Ich grüße dich, Trull«, sagte Forcht leise. »Die Worte, die du gesprochen hast, haben die Krieger aufgebracht.«
    »Und was ist mit dem Hexenkönig?«
    »Der hat noch nichts gesagt.«
    Trull wandte sich wieder den dunklen Wellen zu, die zischelnd am Strand ausliefen. »Ihre Augen sind auf die Schiffe gerichtet«, sagte er.
    »Hannan Mosag weiß, wie man wegschaut, Bruder.«
    »Er hat nach den Söhnen von Tomad Sengar verlangt. Was weißt du davon?«
    Forcht stand jetzt neben ihm, und Trull spürte sein Schulterzucken. »Seit seiner Kindheit wurde der Hexenkönig von Visionen
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