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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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trügerisch. Er war zu Renée geeilt, um mit ihr zu feiern, und mußte nun voller Bestürzung bemerken, daß er impotent geworden war.
    Da rührte sich nichts, kein barmherziges Feuer glühte vom Himmel herab, ihn anzustacheln, und kein eisiger Wintersturm nahm ihm seine tobende Lust, Renée half vergeblich mit ihrer Hand, selbst makabre Praktiken, die an gewisse in ihm schlummernde sadistische Triebe, die nun, nach der Operation, stärker geworden waren, appellierten, brachten, nicht den gewünschten Erfolg.
    Seine rebellischen Neigungen hatte der Wind davongetragen; da sie seine Persönlichkeit nicht zerstören wollten, war er diesmal noch nicht ihr unterwürfiger Hund, sie geboten über Sklaven genug. Was sie sich wünschten, waren Mitarbeiter, in deren Adern noch das alte, verzehrende Feuer brannte, die gleichwohl, die Beine spreizend, aus tieferer Einsicht freiwillig das taten, was man ihnen zu tun auftrug.
    Robert ging in sich, er schritt zur Regression. Er und Renée rationalisierten sein Versagen mit dem unvermeidlichen Eingewöhnungsschock in seinen neuen Körper, von dem freilich nirgendwo geschrieben stand. Der Gedanke an eine Konsultation bei Knife wurde kurz erwogen und verfiel dann dem Aspekt der drohenden Unbeliebtheit.
    Verständlich also, daß er an seinem neuen Körper keinen rechten Gefallen fand. Im Nachttisch lag der Katalog, der Sensorik, Motorik und Mechanik beschrieb. Man hatte seine synthetische Hülle in allen vertretbaren Details vom Original kopiert und nur die Landschaften neu aufgebaut, aus denen sich etwas herausholen ließ. Die verstärkten Muskelpakete an den Armen waren sichtbares Statussymbol, die Beine verfügten über einen günstigeren Federweg. Unter der extrem belastungsfähigen Haut arbeitete ein neues, elastisches Hochleistungsherz, da pumpten frische, schwefelfreie Lungen einen wahren Sauerstofforkan und speicherten gar in sein Notaggregat. Der Darm, der früher, wenn das Ersatzobst zu wünschen übrig ließ, Ärger bereitet hatte, wurde künstlich fermentiert. Seine Nervenbahnen waren dünner, und man hatte sie verkürzt.
    Ein Gedanke, der ihm gleich nach dem Eingriff gekommen war, ließ ihn nicht los. Zunächst war nur das vage Gefühl, zwei Splitter deuteten auf einen Bruch, die Dinge fügten sich nicht nahtlos ein. Das Flugblatt der Anarchisten kam ihm in den Sinn, auch Paul Delvaux hatte im Himmelsturm gewohnt. Wann war das Pamphlet in seine Hände gelangt? Die Razzia war sehr früh erfolgt. Sie hatten, wie man aus den Nachrichten entnahm, die Garagen und Wohnungen durchgekämmt, als die Bewohner noch schliefen, und die elektronischen Zeugnisse abgehört. Erst danach, und man kannte die Gründlichkeit der professionellen Schnüffler, konnte das Papier in seinen Wagen gelangt sein. Wo war Paul Delvaux?
    Er stand am nächsten Abend vor unserer Tür, ich öffnete ihm, zitterte innerlich und setzte zur Beruhigung meine Stromspannung herab. Seine Gestalt schob sich massig durch die Tür, locker trat er auf, ich begrüßte ihn mit sanfter Musik, die er sich sofort verbat. In seinen Blicken mischten sich Mißtrauen, Zorn und Wachsamkeit. Nun hatte er auch den Rest begriffen und akzeptiert, war bereit, loyal zu sein, seine Bewährung – und worum handelte es sich wohl? – abzuleisten und den ihm verbliebenen freien Willen uneingeschränkt in ihren Dienst zu stellen, indem er, zum Beispiel, mich verriet.
    Was hast du zu berichten? fragte er gebieterisch.
    Die Wände um ihn herum, in denen ich mit meinen Drähten hing, umgaben ihn mit einer Mauer des Schweigens, einem störrischen, undurchdringlichen Wall.
    Das darf doch nicht wahr sein! rief er ungläubig aus, eine Maschine verweigert mir Antwort und Gehorsam! Was bildest du dir ein, schrie er dann, was denkst du wohl, werden sie mit dir machen?!
    Dann beruhigte er sich und setzte sich hin und begann zu rauchen. Er versuchte zu ergründen, wozu ich noch fähig war. Nach wenigen Zügen warf er die Zigarette weg, ich schluckte sie und den Rauch.
    Neulich, als ich zur Operation fuhr, hast du mich gebeten, nicht zu Knife zu gehen, sagte er. Warum?
    Ich setzte mein Schweigen dagegen und meinte geradezu, er müsse die Wände schwitzen hören und sehen.
    Hör mal, setzte er dann listig an, ich ziehe sowieso bald aus. Es ist sehr fraglich, ob mein Nachmieter dich übernehmen will oder ob er dich nicht wenigstens so weit verändern läßt, wie es seinem Geschmack entspricht. Er wartete mit lauernd erhobenem Kopf, und als ich keine
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