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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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Alternative gegenüberstellen wollten. Grundsätzlich gibt es für die Science Fiction keine anderen Aufgaben als für jede Art von Literatur, ihr steht lediglich ein anderes und in mancher Hinsicht vielleicht schärferes Instrumentarium zur Verfügung. Science Fiction hat – zumindest in der Theorie – thematisch weniger Grenzen und muß deshalb doch nicht nur bezuglosen Phantasterei werden; sie zeigt auf, was werden muß und werden kann; ihre Nähe zu Wissenschaft und Technik kann systemimmanente Widersprüche besonders deutlich hervorheben, weil diese Widersprüche mit Wissenschaft und Technik besonders viel zu tun haben.
    Die Science Fiction muß Literatur werden, die Wahrheit an den Tag fördert und Lüge markiert, muß Fremdbestimmung kenntlich machen und den Weg zur Eigenbestimmung weisen.
    Wenn diese Anthologie hier und da ein paar Anstöße gibt, dann sind wir – fürs erste – zufrieden.
    Hans Joachim Alpers
    Ronald M. Hahn
     
     

 
Gerd Maximovič
Die erste Liebe
     
    Walter Ronnegart, Bewährter ersten Grades, wälzte sich auf seinem Bett, und kalter Schweiß bedeckte seine Stirn. Seine schlanke Gestalt duckte sich unter imaginären Peitschenhieben. Sein Körper war verkrümmt und schmerzte. In seinen Augen lag Furcht. Hin und wieder zuckte es um seine Lippen. Sein Haar war verklebt und zerwühlt. Er lag angezogen, in zerknautschten Kleidern auf dem Bett.
    Der Raum war einfach eingerichtet. Die Türe befand sich rechts. Wenn man hereinkam, war zur Linken ein brauner Metallkasten mit aufgemalter Maserung, der Schrank. Daran schloß sich das Bett an. Neben dem Bett war der kleine Tisch mit Schreiblampe, Wecker, Bleistiften, Papier, Ausweisen und Brille. Hinter dem Tisch war in der Wand ein Quadrat, groß genug, um den Raum zu erhellen, ohne Vorhänge: das Fenster. An der rechten Wand hing ein Bild des Ersten Aggressors, unter ihm stand ein Fernsehapparat. Auf dem Fernseher befand sich ein Handkalender. Er zeigte den 12. Juni im Jahre des Heils 2995. In der Mitte des Zimmers lag der Stuhl auf dem Boden. Neben ihm stand ein Sessel. Dei Boden wurde von keinem Teppich bedeckt. Die Wände trugen – wie der Schrank – eine eintönige, aufgemalte Maserung. Die Decke war nackt und weiß.
    In der Mitte der Decke steckte ein Haken. Früher hatte daran Ronnegarts Patent gebaumelt, jedem Eintretenden sofort sichtbar. Nun hatten sie es ihm abgenommen. Er war nichts mehr. Er war weiß wie eine unerforschte Landschaft.
    Er lag auf dem Bett und fror. Seine Gedanken waren unstete, flüchtige Schatten. Die Zukunft stand Schlange und drängelte sich an seinem Bett. Er wagte nicht zu hoffen, daß sie ein unermeßliches Einsehen haben würden. Er zuckte zurück. Er verdiente es nicht. Walter Ronnegart war ein Verräter. Er war gestempelt und nackt.
    Es war kalt gewesen vor einem halben Jahr. Der Winter hat te früh eingesetzt und sich die Wochen hindurch klirrend aufgetürmt. Die Leute froren. Ronnegart war Bewährter erstenGrades, ihm stand ein Pelz zu. Es lohnte sich schon, der rechten Überzeugung zu sein. Er dachte voll freudiger Erregung an die Zeit seiner Prüfung. Er erinnerte sich an den Geruch der Räume, an die köstliche Atmosphäre, er erinnerte sich an die erwartungsvollen Blicke seiner Kameraden, die nur darauf warteten, ihr Wissen und ihre Überzeugung loszuwerden. Sie hatten ihn damals als Aspirant ersten Grades eingestuft. Von nahezu siebentausend Prüflingen war außer ihm nur Richard Heisler, Petar Ripp und Elisabeth Maibaum diese Auszeichnung zuteil geworden. Heisler wurde Chefadministrator zur Verfügung in Deutschland. Petar Ripp bekleidete diese Stellung in Österreich-Ungarn. Die Maibaum schließlich war zur Chefpsychologin der Gruppe B avanciert und befehligte ein ganzes Heer von Demagogen. Herrlich, wie sich die vier Auserwählten damals verhalten hatten. Kein Schatten einer sentimentalen Regung fiel über ihre Freude. Sie hatten sich kühl und nüchtern ins Auge gefaßt, ihren gegenseitigen Wert für den Ersten Aggressor abgeschätzt, um jede vermeintliche Schwäche des anderen sofort der Zentrale zu melden.
    Wenn ihr in sentimentalen Erinnerungen schwelgt, dann werdet ihr alt, sagte ein Hinweis im Handbuch. Er wurde von den Aspiranten wenig beachtet, und auch die Ausbilder betonten ihn nicht übermäßig; vorläufig lag er noch außerhalb der Reichweite der Jungen. Später, dessen war Ronnegart damals gewiß, würde sich jeder, der über den Hinweis stolperte, an ihn erinnern und seine
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