Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Titel: Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
Autoren: Anthologie
Vom Netzwerk:
danach, jemand anders zu verletzen. Applegate und der Weltraum, beide hatten ihn verletzt.
„Sie sind jetzt hier draußen, Lespere. Es ist alles vorbei. Genauso, als wäre es nie geschehen, nicht wahr?“
„Nein.“
„Wenn etwas vorbei ist, ist es immer so, als sei es nie gewesen. Ist Ihr Leben auch nur einen Deut besser als meins, jetzt? Nur das Jetzt zählt. Ist es auch nur eine Spur besser? Ist es?“
„Ja, es ist besser!“
„Wie denn!“
„Weil ich meine Erinnerungen besitze, die niemand mir nehmen kann!“ schrie Lespere empört, weit weg, seine Erinnerungen mit beiden Händen fest an die Brust drückend.
Und er hatte recht. Mit einem Gefühl, als ströme ihm kaltes Wasser durch Kopf und Glieder, wußte Hollis, daß er recht hatte. Zwischen Erinnerungen und Träumen bestand ein Unterschied. Er besaß nur Träume von Dingen, die er hatte tun wollen, während Lespere sich an Taten und wirkliche Geschehnisse erinnerte. Und dieses Wissen begann Hollis mit langsamer, aber unheimlich zäher Beständigkeit jegliche Selbstbeherrschung zu rauben.
„Was nützt es Ihnen denn?“ schrie er zu Lespere hinüber. „Jetzt? Wenn etwas verloren ist. hat es überhaupt keinen Nutzen mehr. Sie sind nicht besser dran als ich!“
„Ich trage es mit Fassung“, antwortete Lespere. „Ich habe mein Leben gelebt. Ich werde am Ende nicht noch gemein wie Sie.“
„Gemein?“ Hollis ließ das Wort über seine Zunge rollen. Er war nie in seinem Leben gemein gewesen, so weit er zurückdenken konnte. Er hatte es nie gewagt, gemein zu sein. Er mußte dieses Gefühl die ganzen Jahre für eine Zeit wie diese aufgespart haben. Gemein. Er ließ das Wort in sein Unterbewußtsein zurückgleiten. Er spürte Tränen in seine Augen steigen und über sein Gesicht rollen. Jemand mußte seinen keuchenden Atem gehört haben.
„Nehmen Sie’s nicht so schwer, Hollis.“
Es war regelrecht lächerlich. Noch vor ein paar Minuten hatte er anderen gute Ratschläge gegeben; Stimson, zum Beispiel. Er hatte sich mutig gefühlt und diesen Mut als wahr hingenommen; jetzt aber wußte er, daß dies nichts als ein Schock und die nur während eines solchen Schocks mögliche Objektivität gewesen war. Jetzt versuchte er, ein ganzes Leben voller unterdrückter Gefühlsregungen in eine Spanne von Minuten zu pressen.
„Ich weiß, wie Sie sich fühlen, Hollis“, sagte Lespere, dessen Stimme, inzwischen zwanzigtausend Meilen entfernt, leiser wurde. „Ich fasse es nicht persönlich auf.“
Aber sind wir denn nicht gleich? dachte er verwundert. Lespere und ich? Hier, jetzt? Wenn etwas vorbei ist, ist es verloren und nützt keinem mehr etwas. Man stirbt so auch so. Doch er wußte, daß er mit rein vernunftmäßigen Erwägungen nicht weiterkam; es war, als wollte man den Unterschied zwischen einem Lebenden und einer Leiche beschreiben. In dem einen glühte ein Funke, in der anderen fehlte er – ein Hauch, ein geheimnisvolles Element. Ähnlich verhielt es sich mit Lespere und ihm selbst; Lespere hatte ein schönes, reiches Leben gelebt, das ihn jetzt zu einem anderen Menschen machte, und er, Hollis, war seit vielen Jahren so gut wie tot. Sie strebten auf verschiedenen Pfaden dem Tod entgegen, und wenn es überhaupt so etwas wie verschiedene Tode gab, mußten ihre sich wie Tag und Nacht voneinander unterscheiden. Die Todesarten mußten, wie das Leben selbst, unendliche Varianten aufweisen; und wenn man schon einmal gestorben war, was erwartet man dann noch von diesem letzten, endgültigen Tod?
Einen Augenblick später entdeckte er, daß sein rechter Fuß glatt abgeschnitten war. Er mußte beinahe darüber lachen. Die Luft war wieder aus seinem Anzug gewichen. Er bückte sich rasch und sah das Blut; der Meteorit hatte Fleisch und Anzug bis zum Knöchel mitgenommen. Oh, der Tod im Weltraum besaß eine Menge Humor; er schnitt einen weg, Scheibe um Scheibe, wie ein schwarzer, unsichtbarer Schlächter. Er dichtete den Knieverschluß ab; schwindelig vor Schmerzen kämpfte er, um bei Bewußtsein zu bleiben, und als der Verschluß abgedichtet, die Schlagader abgebunden und Luft wieder in den Anzug geströmt war, richtete er sich auf und stürzte weiter, stürzte, denn ihm blieb keine andere Wahl.
„Hollis?“
Hollis nickte schläfrig, müde vom Warten auf den Tod.
„Hier ist wieder Applegate“, sagte die Stimme.
„Ja?“
„Ich hatte Zeit zum Nachdenken. Ich habe Ihnen zugehört. Unser Verhalten ist nicht gut. Es macht uns böse. Das ist eine schlechte Art zu sterben. So
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher