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Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Titel: Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
Autoren: Anthologie
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Der Kommandant schwieg. Applegate fuhr fort: „Wo waren wir stehengeblieben.
Hollis? Ach ja, ich erinnere mich. Ich hasse Sie auch. Doch das wissen Sie, Sie wußten es schon seit langer Zeit.“
Hollis ballte machtlos die Fäuste.
„Ich möchte Ihnen etwas erzählen“, sagte Applegate.
„Möchte Sie glücklich machen. Ich war derjenige, der Sie vor fünf Jahren bei der Raumschiffahrtsgesellschaft angeschwärzt hat.“
Ein Meteorit flitzte vorbei. Hollis blickte an sich hinunter, seine linke Hand war fort. Blut spritzte. Plötzlich war keine Luft mehr in seinem Anzug. Er hatte genug Luft in seiner Lunge, um mit der rechten Hand nach seinem linken Ellbogen greifen und einen Knopf drehen zu können, der einen Verschluß um das Gelenk auslöste und das Leck abdichtete. Es war so rasch geschehen, daß es ihn nicht einmal überrascht hatte. Nichts konnte ihn mehr überraschen. Nachdem das Leck abgedichtet war, wurde der Luftdruck in seinem Anzug augenblicklich wieder normal. Und das Blut, das so rasch geflossen war, versiegte, während er den Knopf weiterdrehte, bis die Schlagader abgebunden war.
Alle diese Handgriffe verrichtete er in unheimlichem Schweigen. Und die anderen Männer schwatzten. Der eine, Lespere, erzählte unaufhörlich von seiner Frau auf dem Mars, seiner Frau auf der Venus, seiner Frau auf dem Jupiter, seinem Geld, seiner wunderbaren Vergangenheit, seinen Saufereien, seinen Wetten und von seinem Glück. Wieder und wieder, während sie alle fielen. Lespere schwelgte in Erinnerungen an seine Vergangenheit, während er seinem Tod entgegenfiel.
    Es war so seltsam, so grotesk. Weltraum, Tausende von Meilen Weltraum, und in seiner Mitte diese hin und her schwingenden Stimmen. Man sah niemanden, nur die Radiowellen trugen ihre Botschaften von einem zum anderen, versuchten, die Lebensgeister der Männer anzufeuern.
    „Sind Sie wütend, Hollis?“
„Nein.“ Er war nicht wütend. Die Geistesabwesenheit hatte ihn wieder erfaßt, und er war wie ein Stück gefühlloser Materie, das in alle Ewigkeit nirgendwohin fiel.
    „Ihr ganzes Leben lang wollten Sie immer nach oben gelangen, Hollis. Sie haben sich immer den Kopf zerbrochen, was eigentlich geschehen war. Ich habe Sie angeschwärzt, kurz bevor ich selbst rausgeschmissen wurde.“
    „Das ist nicht mehr wichtig“, sagte Hollis. Und es war auch unwichtig. Es war vorbei. Wenn das Leben zu Ende geht, zuckt es wie ein greller Film vorbei – ein Augenblick auf der Leinwand; alle seine Vorurteile und Leidenschaften leuchten auf und sind verdichtet in einem winzigen Tropfen Zeit, und ehe man ausrufen kann: ,Dies war ein glücklicher Tag, das ein schlechter, dies ein böses Gesicht, das ein gutes’, verbrennt der Film zu Asche, und die Leinwand wird dunkel.
    Rückblendend vom äußeren Rand seines Lebens, bereute er nur eines: daß er nicht weiterleben durfte. Empfanden alle Menschen im Sterben das gleiche, als ob sie nie gelebt hätten? War das Leben wirklich so kurz, abgetan und vorbei, bevor man den nächsten Atemzug tun konnte? Kam es allen anderen auch so abgerissen und unfaßbar vor oder nur ihm selbst hier, jetzt, da ihm nur noch wenige Stunden zum Denken und Überlegen blieben?
    Einer der anderen Männer, Lespere, erzählte: „Ich hab’ mir wenigstens ein schönes Leben gemacht: auf dem Mars, der Venus und dem Jupiter hatte ich eine Frau. Alle hatten sie viel Geld und verwöhnten mich. Ich hab’ mich betrunken, und einmal verspielte ich zwanzigtausend Dollar auf einen Schlag.“
    Aber jetzt bist du hier, dachte Hollis. Ich besaß nichts dergleichen. Als ich lebte, habe ich dich beneidet, Lespere; an jedem neuen Tag habe ich dich um deine Frauen und dein gutes Leben beneidet. Ich hatte Angst vor Frauen, und gleichzeitig sehnte ich mich nach ihnen, und wenn ich in den Weltraum vorstieß, beneidete ich dich um ihren Besitz, um dein Geld und um das wenige Glück, das du dir auf deine wilde Art verschafftest. Doch jetzt, da alles vorbei ist und wir ins Nichts stürzen, beneide ich dich nicht mehr, denn du bist genauso am Ende wie ich, und jetzt ist es grad so, als war’ es nie gewesen.
    Hollis steckte den Kopf vor und schrie in das Mikrophon: „Es ist alles vorbei, Lespere!“
Stille.
„Es ist grad so, als ob es nie gewesen ist, Lespere!“
„Wer ist das?“ Lesperes unsichere Stimme.
„Ich bin’s, Hollis.“
Er benahm sich gemein. Er spürte die Gemeinheit, die gefühllose Gemeinheit des Sterbens. Applegate hatte ihn verletzt; jetzt brannte er
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