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Science Fiction Almanach 1983

Science Fiction Almanach 1983

Titel: Science Fiction Almanach 1983
Autoren: H. J. Alpers
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schließ­lich mei­nen Man­tel über und be­such­te die Nach­ba­rin, um mei­nen (wie ich dach­te) völ­lig ir­ri­gen An­nah­men ein En­de zu ma­chen. Die Frau öff­ne­te mir, und ich stell­te mich vor und sag­te kurz ent­schlos­sen, ich hät­te ihr Ba­by täg­lich von drü­ben vom Fens­ter der Pra­xis aus ge­se­hen, es sei ein präch­ti­ges Ba­by, und ich möch­te es mir gern ein­mal aus der Nä­he be­trach­ten. Die Frau wur­de rot vor Stolz und führ­te mich durch die Woh­nung, der Kin­der­wa­gen stand dies­mal im Zim­mer, denn drau­ßen schnei­te es. Zum ers­ten Mal sah ich das Köpf­chen oh­ne Müt­ze, kaum blick­te ich es an, fühl­te ich wie­der das fla­ckern­de Licht hin­ter mei­ner Stirn. Die Frau beug­te sich strah­lend über ihr Kind, aber der Klei­ne roll­te sei­ne Äug­lein so lan­ge hin und her, bis er mich im Blick­feld hat­te. Ich emp­fing ein: Nicht so laut! Und: Du tust mir weh, sei nicht so laut! Die Bot­schaft platz­te ex­plo­si­ons­ar­tig in mein Hirn.
    Al­so doch! Herr Rich­ter, für mich konn­te kein Zwei­fel mehr be­ste­hen, es war ein un­mit­tel­ba­rer, te­le­pa­thi­scher Kon­takt!
    Ich se­he Ih­nen an, daß Sie mich für über­spannt hal­ten. Sie kön­nen mir nicht fol­gen, weil Ih­nen je­de pa­ra­psy­cho­lo­gi­sche Vor­bil­dung fehlt. Bit­te, ge­ben Sie die­ses Pro­to­koll ei­nem Gut­ach­ter, ich bin be­reit, ihm wei­te­re Ein­zel­hei­ten zu schil­dern, die mei­nen Be­richt er­här­ten müs­sen. Die Er­kennt­nis, daß die Psy­che ei­nes Ba­bys sehr viel mehr be­grei­fen und um­set­zen kann, als wir bis­her we­gen des Ent­wick­lungs­stan­des sei­nes Ge­hirns ver­mu­tet ha­ben, traf mich an je­nem Tag hart und un­ver­mit­telt, doch sie war un­ab­weis­bar. Ich sag­te der Frau ein paar freund­li­che Wor­te, ver­ab­schie­de­te mich has­tig und stapf­te hin­aus in den Schnee, und erst nach ei­ner hal­b­en Stun­de be­merk­te ich, daß ich aus un­se­rem Ort im­mer wei­ter hin­aus­ge­wan­dert war. Ich leg­te mir einen Plan zu­recht, um das Phä­no­men wis­sen­schaft­lich ex­akt zu stu­die­ren, und ent­wi­ckel­te da­für ei­ne ei­ge­ne Me­tho­de. Es ist be­kannt, daß das Ge­hirn von Neu­ge­bo­re­nen für Hyp­no­se über­aus emp­find­lich ist, man kann es nach­hal­tig schä­di­gen, wenn man es hyp­no­ti­siert. Nun war es aber un­nö­tig, einen sol­chen Zu­gang zu dem kind­li­chen Ge­hirn zu su­chen, denn das Ba­by hat­te sich ja schon zwei Mal von sich aus ge­mel­det, ich brauch­te mich nur be­reit zu hal­ten und je­den Kon­takt sorg­fäl­tig zu no­tie­ren, um ihn spä­ter aus­zu­wer­ten. So setz­te ich mich im­mer dann in mei­nen Gar­ten, wenn das Kind drü­ben auf die Ter­ras­se hin­aus­ge­scho­ben wur­de, stell­te mir in­ten­siv die Haut über sei­nem Stirn­bein vor, die Stel­le, die von Na­tur aus den di­rek­ten Zu­gang zu sei­ner Psy­che bil­de­te, und war­te­te, bis sich sein Puls­schlag in mei­nem Ge­hirn wi­der­spie­gel­te, dann stell­te sich schnell ein über­ra­schend in­ten­si­ver, te­le­pa­thi­scher Kon­takt her, un­be­las­te­ter als je­de hyp­no­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on.
    Sie wer­den mir jetzt vor­hal­ten, Säug­lin­ge hät­ten zwar Re­fle­xe, aber kein Denk­ver­mö­gen, ihr Groß­hirn sei ei­ne ta­bu­la ra­sa. Wir ma­chen da­bei den Feh­ler, ih­re See­le mit dem Zu­stand ih­res Ge­hirns gleich­zu­set­zen. See­le und Geist sind aber et­was ganz Ver­schie­de­nes, ei­ne See­le – ha­ben Sie dar­über schon ein­mal nach­ge­dacht? – be­darf kei­ner Ent­wick­lung, sie ist da von An­fang an, sie braucht al­ler­dings noch Zeit, um das Ge­hirn und die fünf Sin­ne zu for­men und zu nut­zen.
    Ein wun­der­ba­res, un­glaub­lich far­bi­ges Neu­land tat sich vor mir auf, eif­rig such­te ich je­de Ge­le­gen­heit, den Zau­ber die­ser See­le zu er­le­ben und ge­lei­te­te be­hut­sam den Klei­nen in mei­ne ei­ge­ne Welt. Das Fa­ta­le dar­an wur­de mir lei­der erst spä­ter be­wußt, denn er be­gann zö­gernd, dann im­mer ra­scher, te­le­pa­thisch in mich ein­zu­drin­gen, warf al­le Be­grif­fe und Er­fah­run­gen durch­ein­an­der, er­ober­te mein Ge­hirn und mei­ne fünf Sin­ne, als ob sie ihm
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