Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwingen des Vergessens

Schwingen des Vergessens

Titel: Schwingen des Vergessens
Autoren: Lisa Auer
Vom Netzwerk:
haben und alles hinterfragen.
    Manchmal denke ich mir, es ist ein Fehler, dass nur die Direktorin von meiner Krankheit weiß, aber die anderen geht es schließlich nichts an. Genauso wenig wie es meine Klasse interessieren würde. Weißt du? Ich finde es komisch, dass meine Freunde, die ich vor dem Erinnerungsverlust hatte, mich wohl auch vergessen haben. Sie haben sich nicht mehr gemeldet, auch wenn sie bestimmt irgendwie herausgefunden hätten, wie meine Nummer lautete. Die, die ich vielleicht doch als meine Freundinnen haben wollte, haben mich komisch angestarrt und sie wissen wohl auch nicht, dass es ihre Schuld ist, dass ich so bin, wie ich bin. Wenn mir irgendwer nur das kleinste Gefühl von Liebe vermittelt hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht so düster. Genauer gesagt, brauche ich einen Freund, ich hatte schließlich noch keinen. Aber wer würde mich schon wollen, nicht einmal meine eigene Mutter mag mich wirklich, zumindest kommt es mir überhaupt in letzter Zeit so vor. Sie streitet immer öfter mit meinem Vater Steve, aber naja. Ich kann es nicht ändern, auch wenn ich weiter hier herum heule… L Die letzten Worte waren unleserlich, Tränen hatten die Tinte verwischt. Was sie danach geschrieben hatte, wusste Amelie nicht mehr. Diese Seiten ihres Tagebuches waren verziert worden, es war so eine Zeit gewesen, wo sie die Welt noch mehr angezweifelt hatte, wie heute immer noch. Die Ränder des Papiers waren verziert mit Verschnörkelungen, die ein jeder klar verstand. Es waren traurige Motive, oder manchmal auch Bilder, die puren Hass, Furcht und Verzweiflung zugleich ausstrahlten.
    „Ich hatte Recht. Lucy hat sich zu einem Mädchen entwickelt, das keine Freunde, keine Würde und gar nichts mehr hat“, murmelte Amelie leise, mehr zu sich selbst als zu irgendwem, denn schließlich war eh keiner da. Lucy hatte tatsächlich ihr ganzes Leben zerstört, sie war eingebrochen, in ein Shoppingcenter, nur wegen einer Mutprobe. Die Polizei hatte sie ertappt und seitdem saß sie im Gefängnis und wenn sie sich nicht irrte, vermisste sie keineswegs jemand aus ihrer Freundesgruppe. Genauso wenig wie Amelie selbst.
    Nachdem sie das Tagebuch wieder versteckt hatte, verschwand sie im Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. O mein Gott! Ihr Gesicht war verschmiert genauer gesagt schwarz, nur wenig Haut schimmerte noch durch. Woher es kam, realisierte sie erst ein paar Sekunden später.
„Was?“, stotterte sie verständnislos und strich über ihre Stirn, sofort färbte sich ihr Finger. Zitternd füllte sie in ihre hohle Hand Wasser und spritzte es sich ins Gesicht. Die schwarze Farbe tropfte nun ins Waschbecken ab. Nach ein paar weiteren Augenblicken begann Amelie zaghaft zu lächeln, richtig gelacht hatte sie schon lange nicht mehr.
„Wimperntusche, Lidschatten, Eyeliner und das ganze Zeug. Da merkt man mal, wie schwarz ich wirklich bin“, seufzte sie und es dauerte knapp 10 Minuten, bis die ganze Farbe weg war. Danach erstrahlte ihr Gesicht wieder ganz in der alten Farbe. Blass wie ein Zombie. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass die halbe Stunde bereits um war. Als der Sekundenzeiger exakt halb neun zeigte, klingelte es und die Tür wurde von Karoline geöffnet. Amelie wunderte sich immer wieder, was für Freundinnen ihre Mutter eigentlich hatte. Auch wenn Karoline es ihr nicht glaubte, erinnerte sie sich an jede einzelne der Frauen, die immer am Samstag pünktlich um halb neun vor der Tür standen, sich Küsschen gaben, um dann stundenlang zu quatschen. Und alle waren gleich wie ihre Mutter, glücklich und farbenfroh. Und wenn Amelie sich nicht falsch erinnerte, war Francesca eine dieser reichen Tussis, die ihren Mann nur wegen seinem Reichtum heirateten, aber nicht liebten.
    Über das Treppenhaus her ertönte nun freudiges Begrüßen und Küsschen, Küsschen, wie immer eben. 15 Minuten noch. Schon ein wenig gestresst, schminkte sie sich, bis ihre Augen Katzenaugen glichen. Die richtige Augenfarbe hatte sie schon mal, grüne Augen, das einzig farbige an ihrem ganzen Gesicht. In Windeseile kämmte das Mädchen ihre hüftlangen, schwarzen Haare und steckte sie schnell hoch. Die Länge ihrer Haare nervte Amelie relativ oft, doch wie sie mit kurzen aussah, wollte sie sich gar nicht vorstellen. Schnell vertrieb sie die Gedanken aus ihrem Kopf und konzentrierte sich eine Zeit lang auf die Uhr, die stetig weiter tickte. Innerlich wünschte Amelie sich, sie würde stehen bleiben und sich wieder bis zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher