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Schwingen der Nacht

Schwingen der Nacht

Titel: Schwingen der Nacht
Autoren: Lori Foster
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Harris unter dem Vordach des Apartmentgebäudes hervortrat, landete ein dicker Regentropfen auf seiner Nase. Es lag ein Sturm in der Luft, und wahrscheinlich würde er losbrechen, noch ehe sie ihren Lauf beendet hatten. Harris rannte über den Hof zwischen den Gebäuden, als die Nachbartür auch schon aufging und Clair nach draußen kam. Lächelnd blickte er sie an.
    Was ihre Persönlichkeit betraf, war sie irgendetwas zwischen einer Intelligenzbestie und einer Sportskanone; sie liebte alle Arten von Sport und war klüger, als gut für sie war. Aber egal in welcher Situation, und obwohl sie sich nicht besonders aufreizend kleidete, sah Clair doch immer stylish aus. Zugegeben, es war ihr eigener, einzigartiger Stil, aber ihre äußere Erscheinung war immer wohlüberlegt und wirkte niemals, als hätte sie keinen Geschmack oder keine Zeit gehabt.
    Vor ein paar Wochen hatte sie sich ihr glänzendes dunkelbraunes Haar kürzer schneiden lassen. Heute trug sie die Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden, der wirklich süß aussah. An ihrer ovalen schwarzen Hornbrille hatte sie ein Gummiband befestigt, damit sie ihr beim Laufen nicht von der Nase rutschte. Irgendwie sah der Look der sportlichen Bibliothekarin bei Clair gut aus.
    Da sie die Haare zurückgebunden hatte, fiel Harris zum ersten Mal auf, dass sie keine Ohrringe trug. Eigentlich hatte er Clair noch nie mit Schmuck gesehen. Heutzutage hat doch so ziemlich jede erwachsene Frau ihre Ohren gepierct – ganz zu schweigen von anderen Körperteilen, dachte Harris. Aber er hatte ja schon immer gewusst, dass Clair anders war als andere Frauen.
    Mit ihren eins fünfundsechzig war sie durchschnittlich groß – allerdings hatte sie ausgesprochen lange Beine. Schlanke, sexy Beine, die selbst in klobigen Laufschuhen umwerfend aussahen. Heute Abend stellte sie diese Beine in einer lässigen kurzen Hose zur Schau. Wie Harris hatte sie ein Zugeständnis an das regnerische Wetter gemacht und einen Windbreaker übergezogen.
    Er warf einen Blick zum düsteren Himmel hinauf. Durch die dichten schwarzen Wolken hindurch waren weder der Mond noch die Sterne zu sehen. Die Zweige der Bäume bogen sich in den schweren Windböen. Herumliegender Müll wurde über die Straße geweht. “Sieht aus, als würden wir heute noch einen höllischen Sturm bekommen.”
    “Machst du einen Rückzieher, Süßer? Bist du aus Zucker?” Sie gab ihm einen Klaps auf den Hintern. Einen festen Klaps. Dann lief sie los.
    Schmunzelnd folgte Harris ihr. “Rache ist süß, Kleines.”
    Um ihn zu ärgern, wackelte sie für ein paar Schritte extra aufreizend mit den Hüften, ehe sie wieder ernst wurde.
    Seite an Seite liefen sie die Straße entlang. Nur das Geräusch ihrer Sportschuhe auf dem nassen Untergrund und ihr Atmen durchbrachen die Stille. Nach fünfzehn Minuten war aus dem Nieseln ein leichter Dauerregen geworden. Clair beschwerte sich nicht, also verlor auch Harris kein Wort darüber. Wenn sie damit fertig wurde, konnte er das auch.
    Nachdem sie ungefähr zwei Kilometer zurückgelegt hatten, blickte Harris sie an. Sie wirkte hochkonzentriert, und ihr kurzer Pferdeschwanz, der vor Nässe inzwischen etwas dunkler war, hüpfte im Rhythmus ihrer langen Schritte. “Ist heute bei der Arbeit was Interessantes passiert?”, fragte er.
    Sie zog die Stirn kraus. “Dane hat einen Kerl erwischt, der seine Frau betrogen hat.” Empörung schwang in ihren Worten mit. “Er war echt wütend, als er ins Büro kam, um die Sache für die Akten zu erfassen. Er sagte, die Frau sei verdammt hübsch und auf jeden Fall ohne den Kerl besser dran – und trotzdem hat sie sich die Augen ausgeheult.”
    “Was für eine Schande.” Harris wollte eigentlich nicht heiraten. Doch falls er den Schritt je wagen sollte, war er sich sicher: Er wäre seiner Frau absolut treu. In seinen Augen waren Ehepartner, die den anderen betrogen, das Letzte. Wenn man seinen Spaß haben wollte – so wie er –, sollte man gar nicht erst irgendjemandem etwas versprechen.
    Clair hatte immer noch nicht genug. Unermüdlich legte sie Meter um Meter zurück, und ihre Schritte klatschten auf dem nassen Asphalt.
Patsch, patsch, patsch.
“Ich würde nicht weinen.” Sie ballte die Hände zu Fäusten und steigerte das Tempo weiter, bis sie nicht mehr joggten, sondern rannten.
    “Was würdest du denn tun?”
    Die Sekunden verstrichen. Clair wurde langsamer und entspannte sich allmählich wieder. Mit einem bösen, vielsagenden Lächeln sagte sie
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