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Schwindelfreie Luegen

Schwindelfreie Luegen

Titel: Schwindelfreie Luegen
Autoren: Kajsa Arnold
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ein Paar blitzblanke schwarze Schuhe, gleitet dann über eine Anzughose mit exakter Bügelfalte und eine dunkelgraue Anzugjacke hinauf zu einem Paar grüner Augen, die leuchten, als würden sie von der Sonne angestrahlt. Der Fremde spricht Deutsch mit starkem Akzent, daher nehme ich mal an, dass er Franzose ist. Woran er erkennt, dass ich Deutsche bin – weiß der Himmel.
    Prüfend schaue ich mich um, doch alle Plätze in der näheren Umgebung sind belegt. Ich sitze an einem kleinen Zweiertisch und deute auf den gegenüberliegenden Platz. »Bitte.«
    »Merci, Madame.«
    Der Mann zeigt auf den Reiseführer. »Daher weiß ich, dass Sie aus Deutschland kommen.« Er grinst frech, während er sich setzt. »Diese Frage stand Ihnen regelrecht ins Gesicht geschrieben.«
    »Dann sollte ich wohl an meinem Ausdruck arbeiten«, erwidere ich lächelnd.
    Franzosen sind ja so charmant und ... schleimig. Ich schmunzele und vertiefe mich wieder in meine Reiselektüre.
    Mein Gegenüber bestellt einen Café-au-lait und beobachtet mich eingehend. Er spiegelt sich in der Fensterscheibe. Unauffällig beobachte ich ihn, er hat wundervolle Hände, lang und schmal, und ich wette er spielt Klavier. Mit solchen Händen muss man einfach Klavier spielen können, denke ich, denn ich habe eine Schwäche für Klavierspieler. Nur schade, dass mir bisher noch keiner über den Weg gelaufen ist.
    »Wir haben das gleiche Ziel«, sagt er plötzlich und ich zucke zusammen, reiße mich von dem Spiegelbild seiner Hände los.
    »So, woher wissen ...?« Natürlich, der Reiseführer.
    »Fahren Sie zu den Festspielen oder sind Sie beruflich in Cannes?«, frage ich neugierig. Vielleicht gibt er ja ein Konzert.
    »Sowohl als auch.«
    »Dann sind Sie Schauspieler?«
    »Oh nein«, er schüttelt den Kopf, »dafür fehlt mir das nötige Talent . Ich bin geschäftlich in Cannes und zur Schmuckausstellung unterwegs. Was führt Sie in diese Region?«
    »Ich ... ich spanne ein paar Tage aus. Urlaub sozusagen.«
    »Dann wünsche ich Ihnen unvergessliche Tage an der Côte d’ Azur.« Er trinkt seinen Kaffee aus, legt einen 10-Euro-Schein neben die Tasse und ist verschwunden. Schade. Ich hätte gerne seinen Namen erfahren. Er sah nach einem Albert oder Pierre aus. Welches Musikstück er wohl besonders gerne spielt? All diese Geheimnisse wird er nun mit in die dunkle Nacht hinaustragen.
     
    Die knapp anderthalb Kilometer vom Bahnhof zum Hotel Charleston lege ich mit dem Taxi zurück, denn es ist bereits Mitternacht. Ich bin müde und froh, wenn ich endlich ins Bett fallen kann.
    Das Hotel ist eines der besten am Platz und liegt an dem Boulevard de la Croisette ganz in der Nähe der Festivalhalle. Das habe ich schon im Reiseführer recherchiert, doch als das Taxi vor dem Hotel hält, falle ich aus allen Wolken. Es ist eine absolute Nobelherberge und mit einem Mal komme ich mir vor wie Aschenbrödel, bevor ihr die Fee zu einem schicken Kleid verhilft. Allerdings scheint es dem Portier, der mir galant die Tür öffnet, nicht aufzufallen, denn er begrüßt mich äußerst freundlich. Ich bin völlig aus dem Häuschen und geblendet von der grazilen Eleganz, die mich umgibt. Jetzt weiß ich auch, warum die Reichen immer und überall Sonnenbrillen tragen, selbst in der Dunkelheit.
    Als ich an de n Empfang trete, wird gerade ein Gast eingecheckt, dann bin ich an der Reihe.
    »Mein Name ist Sylvie Komarow und für mich wurde ein Zimmer reserviert«, erkläre ich im einwandfreien Französisch.
    Der Concierge nickt, nachdem er auf den Computermonitor geblickt hat. » Oui, Madame Komarow, eine Suite mit Blick auf die Bucht.«
    »Mademoiselle«, verbessere ich ihn und er nickt ergeben. Danach reicht er mir d as Anmeldeformular und als alles erledigt ist, winkt er einen Pagen herbei, der sich um mein Gepäck kümmert.
    »So, Mademoiselle Komarow also, nicht Madame«, sagt eine Stimme und ich blicke auf.
    »Oh, Monsieur ...«, ich weiß nicht mehr weiter, denn ich kenne seinen Namen nicht. Es ist der Mann aus dem Zug, der mit den Klavierspielerhänden.
    »Entschuldigung, aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Jean Godard und ich freue mich, dass wir nicht nur denselben Zug, sondern wohl auch das gleiche Hotel gebucht haben.«
    Charmant reicht er mir die Hand, die sich kühl und sicher in meiner anfühlt.
    »Monsieur Godard, die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
    »Bitte, nennen Sie mich Jean.«
    Ich schaue ihn einen Moment abschätzend an. Sind das nicht ein paar
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