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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord
Autoren: Tess Gerritsen
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sollte Sie vor der Presse warnen. Die werden sich um Sie reißen wie die Wölfe. Ich musste mich draußen schon durch eine ganze Horde von Reportern durchkämpfen. Bis jetzt hat das Krankenhauspersonal es geschafft, sie Ihnen vom Leib zu halten, aber wenn Sie nach Hause kommen, wird die Sache schon anders aussehen. Besonders, da …« Rizzoli hielt inne.
    »Ja?«
    »Ich will nur, dass Sie vorbereitet sind, das ist alles. Lassen Sie sich von niemandem zu etwas überreden, was Sie nicht wirklich wollen.«
    Mattie runzelte die Stirn. Dann hob sie den Blick zum Fernseher, in dem ohne Ton die Zwölf-Uhr-Nachrichten liefen. »Er war auf allen Kanälen«, sagte sie.
    Auf dem Bildschirm war Dwayne Purvis zu sehen, der vor einem Meer von Mikrofonen stand. Mattie griff nach der Fernbedienung und schaltete den Apparat laut.
    »Heute ist der glücklichste Tag meines Lebens«, sagte Dwayne zu den versammelten Reportern. »Ich habe meine wunderbare Frau und mein Baby wieder. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was wir alle durchgemacht haben. Das ist ein Albtraum, den sich kein Mensch vorstellen kann, der es nicht selbst erlebt hat. Aber Gott sei Dank, Gott sei Dank ist es alles gut ausgegangen.«
    Mattie schaltete den Fernseher aus, starrte aber weiter die leere Mattscheibe an. »Es kommt mir alles so unwirklich vor«, sagte sie. »Als wäre das alles nie passiert. Deswegen kann ich auch hier sitzen und so seelenruhig darüber reden – weil ich es einfach nicht glauben kann, dass ich wirklich in dieser Kiste eingesperrt war.«
    »Aber es ist wahr, Mattie. Sie brauchen einfach Zeit, um
das Ganze zu verarbeiten. Sie werden vielleicht Albträume bekommen. Wenn Sie einen Aufzug betreten oder in einen Wandschrank schauen, kann es sein, dass Sie sich plötzlich wieder in diese Situation zurückversetzt fühlen, als Sie in der Kiste eingesperrt waren. Aber das wird sich legen, das verspreche ich Ihnen. Denken Sie immer daran – es geht vorbei.«
    Mattie sah sie mit tränenfeuchten Augen an. »Sie kennen das.«
    Ja, ich kenne das, dachte Rizzoli und ballte die Fäuste über ihren Narben. Sie waren die sichtbaren Beweise der Torturen, die sie durchgestanden hatte, des Kampfes, den sie selbst gegen den drohenden Wahnsinn geführt hatte. Das reine Überleben ist nur der erste Schritt.
    Es klopfte an der Tür. Rizzoli stand auf, als Dwayne Purvis mit einem Arm voller roter Rosen ins Zimmer trat. Er steuerte schnurstracks auf das Krankenbett seiner Frau zu.
    »Hallo, Schätzchen. Ich wäre ja schon eher zu dir raufgekommen, aber da unten ist die Hölle los. Jeder will ein Interview.«
    »Wir haben Sie im Fernsehen gesehen«, sagte Rizzoli. Sie bemühte sich, neutral zu klingen, obwohl sie ihn nicht ansehen konnte, ohne an die Vernehmung auf dem Polizeirevier in Natick zu denken. Oh, Mattie, dachte sie. Du findest doch allemal was Besseres als diesen Kerl.
    Er wandte sich zu Rizzoli um, und sie sah sein elegant geschnittenes Hemd, seine perfekt gebundene Seidenkrawatte. Sein penetrantes Aftershave überlagerte den Duft der Rosen. »Und, wie war ich?«, fragte er.
    Sie antwortete wahrheitsgemäß. »Sie sind wie ein richtiger Fernsehprofi rübergekommen.«
    »Wirklich? Das ist der Wahnsinn, die ganzen Kameras da draußen. Die Geschichte hat alle von den Socken gehauen.« Er sah seine Frau an. »Das müssen wir alles festhalten, Schatz. Damit wir später eine Erinnerung daran haben.«
    »Wie meinst du das?«

    »Na, zum Beispiel, hier und jetzt. Wir sollten diesen Augenblick im Bild festhalten. Wie du im Krankenhaus liegst und ich dir Blumen bringe. Von der Kleinen hab ich schon Fotos gemacht. Ich hab der Schwester gesagt, sie soll sie mir ans Fenster bringen. Aber wir brauchen noch Großaufnahmen. Vielleicht, wie du sie im Arm hältst.«
    »Sie heißt Rose.«
    »Und wir haben auch noch keine Bilder von uns beiden. Da brauchen wir unbedingt ein paar. Ich habe eine Kamera mitgebracht.«
    »Meine Haare sind nicht gekämmt, Dwayne. Ich sehe unmöglich aus. Ich will keine Fotos.«
    »Ach, komm schon. Sie fragen schon alle danach.«
    »Wer? Für wen sollen die Fotos sein?«
    »Das können wir doch später noch entscheiden. Wir können uns Zeit lassen und die Angebote in Ruhe vergleichen. Mit Fotos ist die Story doch gleich noch mal so viel wert.« Er zog eine Kamera aus der Tasche und drückte sie Rizzoli in die Hand. »Hier, seien Sie doch so nett und machen Sie ein Bild von uns.«
    »Das soll Ihre Frau entscheiden.«
    »Das ist schon okay,
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