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Schwesterlein, komm tanz mit mir

Schwesterlein, komm tanz mit mir

Titel: Schwesterlein, komm tanz mit mir
Autoren: Mary Higgins Clark
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um. Es war Sarah Johnson, seine Assistentin, eine Kunst-Expertin, die er aus einem Privatmuseum in Boston abgeworben hatte. «Chris, ich fürchte, es gibt ein Problem», sagte sie mit besorgter Miene. «Ihre Mutter ist am Telefon. Sie sagt, sie müsse Sie sofort sprechen. Sie wirkt ziemlich aufgeregt.»
    «Das Problem ist diese verdammte Fernsehsendung!»
    Chris ging zur Tür, stieß sie auf, ignorierte den Aufzug und rannte die Treppe hinauf.
    Vor einem Monat war in der beliebten Fernsehserie
Authentische Verbrechen
eine Folge gezeigt worden, die den unaufgeklärten Mord an Chris’ Zwillingsschwester Nan behandelt hatte. Mit neunzehn Jahren war Nan erwürgt worden, als sie in der Nähe ihres Hauses in Darien, Connecticut, ihren Waldlauf machte. Trotz seiner heftigen Proteste war es Chris nicht gelungen, das Kamerateam daran zu hindern, lange Einstellungen von Haus und Grundstück zu drehen, und er hatte auch nicht verhindern können, daß sie Nans Tod im nahegelegenen Wald, wo ihre Leiche gefunden worden war, nachstellten.
    Er hatte seine Mutter angefleht, sich die Sendung nicht anzusehen, aber sie hatte darauf bestanden, sie mit ihm zusammen zu verfolgen. Es war den Produzenten gelungen, eine junge Schauspielerin zu finden, die Nan verblüffend ähnlich sah. Der Dokumentarfilm zeigte sie beim Joggen; er zeigte, wie eine Gestalt sie im Schutz der Bäume beobachtete; dann die Konfrontation; den Fluchtversuch; den Mörder, der sie packte und erwürgte und dann den Nike-Laufschuh von ihrem rechten Fuß zog und durch einen hochhackigen Abendschuh ersetzte.
    Den Kommentar lieferte ein Sprecher, dessen sonore Stimme unnötig entsetzt klang. «War es ein Fremder, der sich an die schöne, begabte Nan Sheridan heranmachte?
    Sie und ihr Zwillingsbruder hatten am Vorabend im Landhaus der Familie ihren neunzehnten Geburtstag gefeiert.
    Wurde jemand, den Nan kannte, der vielleicht an ihrem Geburtstag mit ihr angestoßen hatte, zu ihrem Mörder? In fünfzehn Jahren ist nicht die kleinste Information zutage getreten, die dieses schreckliche Verbrechen vielleicht aufklären könnte. Wurde Nan Sheridan das zufällige Opfer eines geisteskranken Ungeheuers, oder war ihr Tod ein Akt persönlicher Rache?»
    Dann folgte eine Reihe von Nahaufnahmen. Das Haus und das Grundstück aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Telefonnummer, die man anrufen sollte, «falls Sie irgendeine Information haben». Die letzte Nahaufnahme war das Polizeifoto von Nans Leiche, wie man sie gefunden hatte, ordentlich auf dem Boden ausgestreckt, die Hände über der Taille gefaltet, den linken Fuß im Nike-Turnschuh, den rechten in einem paillettenbesetzten Abendschuh.
    Der letzte Satz lautete: «Wo sind die Gegenstücke dieses Turnschuhs und dieses graziösen Abendschuhs? Sind sie noch im Besitz des Mörders?»
    Greta Sheridan hatte sich die Sendung angesehen, ohne zu weinen. Als sie zu Ende war, hatte sie gesagt: «Chris, ich hab immer wieder darüber nachgedacht. Deshalb wollte ich den Film sehen. Nach Nans Tod war ich so durcheinander, ich konnte gar nicht klar denken. Aber Nan hatte mir so viel von allen in der Schule erzählt … Ich … ich dachte einfach, wenn ich diese Sendung ansähe, würde mir vielleicht etwas einfallen, das wichtig sein könnte. Erinnerst du dich an den Tag der Beerdigung? Die Menschenmenge. Alle diese jungen Leute aus dem College. Weißt du noch, wie Polizeichef Harriman sagte, er sei überzeugt, ihr Mörder sitze in der Trauergemeinde? Weißt du noch, wie sie Kameras aufstellten, um in der Aussegnungshalle und in der Kirche von allen Leuten Fotos zu machen?»
    Dann, als habe eine riesige Hand sie ins Gesicht geschlagen, war Greta Sheridan in herzzerreißendes Schluchzen ausgebrochen. «Dieses Mädchen sah Nan so ähnlich, nicht? Ach, Chris, ich hab sie so vermißt in all den Jahren. Dad wäre noch am Leben, wenn sie hier wäre.
    Dieser Herzinfarkt war seine Art, um sie zu trauern.»
    Ich wünschte, ich hätte mit einer Axt jeden Fernseher im Haus zertrümmert, statt Mutter diese verdammte Sendung sehen zu lassen, dachte Chris, während er den Gang hinunter zu seinem Büro lief. Die Finger seiner linken Hand trommelten auf den Schreibtisch, als er nach dem Hörer griff. «Was ist los, Mutter?»
    Greta Sheridans Stimme klang angespannt und zittrig.
    «Chris, tut mir leid, daß ich dich mitten in der Auktion störe, aber gerade ist ein äußerst seltsamer Brief gekommen.»
    Noch eine Folge dieser gräßlichen Sendung, dachte Chris
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