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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz
Autoren: Ulrich Ritzel
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beantragen wird.«
    »Mir ist die Natur dieses Falls nicht ganz klar«, wandte Englin ein. Er sagte es so nachdenklich, dass sein Augenlid das Zucken vergaß. »Ich meine, hier gehen Beziehungstaten und anderes
ziemlich wild durcheinander, Leidenschaft und Habgier, das ist alles nicht so richtig sauber getrennt.«
    »Vermutlich lässt sich das nie so ganz sauber einsortieren«, meinte Berndorf und tastete nach seinem Nasenspray. »Lassen Sie es mich vereinfacht schildern. Welf ist irgendwann Mitte letzten Jahres praktisch pleite, an die Wand gedrückt von dem lokalen Beziehungs- und Vergabesystem. Vom Ulmer Filz.« Er warf einen Blick auf Tautka, doch keines von dessen Augen war auf ihn gerichtet. »Sein alter Freund Rodek greift ein. Rodek begibt sich in den Krieg, und als Erstes besorgt er sich eine Kriegskasse. Wie es sich fügt, hat sein Zimmernachbar Hugler 50 000 Mark auf der Hand, Lockgeld für ein Scheingeschäft und ausgehändigt vom Kollegen Blocher.«
    Er schaute zu Blocher, doch der hielt den Blick auf den dunklen Eichentisch gesenkt, als sei dort zwischen den Fugen ein Haschischdeal im Gange.
    »Hugler ist das erste Opfer«, fuhr Berndorf fort. »Als er sich nach Holland absetzen will, bringt ihn Rodek um und vergräbt ihn in der Hanfplantage. Das zweite Opfer wird der italienische Bauarbeiter Casaroli. Rodek organisiert mit Skinheads, die ihn bewundern, den Brandanschlag auf die Baustelle der Edim in Wiesbrunn. Sein Plan ist, später Beweisstücke auf dem Gelände der Baufirma Gföllner zu deponieren, um Gföllner zu diskreditieren und ihm womöglich die Mafia auf den Hals zu hetzen. Das geht zunächst schief, weil wir sehr bald die Spur der Skinheads gefunden haben und einer von ihnen, Veihle, Rodeks Namen im Verhör preisgibt. Dass Veihle damit sein eigenes Todesurteil gesprochen hatte, haben wir damals nicht erkannt und nicht bedacht. Rodek hat ihn nach dem Freispruch erdrosselt und die Leiche vor dem Justizgebäude abgelegt, um die Sache als Racheakt der Mafia erscheinen zu lassen. Außerdem hat er ihm 2000 Mark aus dem Hugler-Geld in die Jacke gesteckt, damit wir glauben sollten, Veihle sei für den Brandanschlag bezahlt worden.«
    Er blickte noch einmal zu Blocher hinüber. Der sah noch immer in den Ritzen nach Ordnung. »Waren die Nummern
der Geldscheine, die Sie Hugler gegeben haben, eigentlich notiert?«
    Blocher brummte etwas, das nach »musserstmalnachsehn« klang. Berndorf zog den Nasenspray heraus, verschaffte sich Erleichterung und fuhr fort.
    »Dann aber ist die Geschichte gekippt. Zum einen kannte der Justizbedienstete Hartmut Sander, der in der Verhandlung gegen Rodek Protokollführer war, sowohl Rodek als auch Welf von früher. Er ahnte die Wahrheit und begann, Welf unter Druck zu setzen. Das hat ihm das Leben gekostet. Wie er zu Tode gekommen ist, wissen wir nicht genau. Aber wir wissen, dass seine Leiche von Welfs Bootshaus aus im Bodensee versenkt worden ist. Die Taucher werden nach dem Toten suchen, sobald das Treibholz es zulässt.«
    Er machte eine Pause und sah sich um. Im Hintergrund öffnete sich die Tür, Tamar und Kuttler kamen leise in den Konferenzraum und setzten sich auf die Stühle, die an der Wand neben der Tür standen. Englins Augenlid zuckte zweimal strafend, was Kuttler mit einem entschuldigenden Lächeln beantwortete. Tamars Gesicht blieb steinern.
    »Die Rechnung von Welf und Rodek ist lange Zeit aufgegangen«, fuhr Berndorf fort. »Eines Tages aber war es Rodek plötzlich leid, den Bravo zu spielen, den Söldner, der die Schmutzarbeit erledigen muss. Er begann zu begreifen oder hatte es vielleicht sogar von Anfang an darauf angelegt, dass Welf in seiner Hand war. Welf, der Zauberlehrling, verlor die Kontrolle über das Geschehen, und Rodek begann, den weiteren Ablauf zu diktieren. Die Gasexplosion am Ostbahnhof ist der Beleg dafür. Rodek ist hier auf eine Weise vorgegangen, die Welf in allergrößte Schwierigkeiten bringen konnte.«
    »Ist er deswegen umgebracht worden?«, fragte Englin.
    »Möglich«, antwortete Berndorf. »Obwohl ich hier eher an eine Beziehungstat glaube. Wir haben es bei Welf, Rodek und Judith Norden mit einem sehr merkwürdigen Dreiecksverhältnis zu tun.«
    Er zögerte. Genauer musste er es nicht erklären. »Ohnehin
können wir diesen ganzen Bereich nicht abklären, solange wir Judith Norden nicht festnehmen können. Und danach sieht es nicht aus, denn nach einer Mitteilung der thurgauischen Kantonspolizei ist das leere Schlauchboot
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