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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz
Autoren: Ulrich Ritzel
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setzt und Provision dazu sagt? Da eine Gratifikation erbittet und dort ein Vermittlungshonorar empfiehlt. Wer eine Reparatur im Haus gemacht haben will, wer eine neue Garage braucht, wem man das Dach ausbauen soll, die Bäder mit Marmor fliesen oder im Ferienhäuschen ein paar Mauern einziehen. . .« Tamar betrachtete Gföllner. Dies also war ein einflussreicher, ein mit Maßen mächtiger Mann in dieser Stadt. Sein anklagend auf Desarts gerichteter Zeigefinger zitterte und zuckte. Desarts stutzte. »Sie können uns das alles detailliert belegen«, sagte er schließlich. »Wir sind sehr an Ihren Aussagen interessiert. Wir verlangen nicht, dass Sie sich selbst belasten. Einstweilen lassen Sie uns bitte unsere Arbeit tun.«
    »Bitte«, sagte Gföllner und setzte sich wieder. »Tun Sie Ihre Arbeit. Überziehen Sie die Leute, die kein Staat vor der Mafia schützt, mit ihren Paragraphen.«
    Tamar trat auf ihn zu. Gföllner blickte zu ihr hoch. »Ich hätte gerne Ihren Sohn gesprochen«, sagte sie. Gföllner schüttelte verständnislos den Kopf. Dann wies er nach draußen. Tamar drehte sich um. Ein großer stämmiger Mensch trat ins Zimmer, er hatte die gleichen krausen Haare wie sein Vater, aber die breiten Schultern und die geduckte Haltung gaben
ihm das Aussehen und die Statur eines Rugby-Spielers. Tamar erinnerte sich daran, wie ein kleiner und schmächtiger Mensch versucht hatte, vor ihr diese Körperhaltung nachzuspielen. So klein und schmächtig Pfarrer Johannes Rübsam auch war — er hatte es ganz gut getroffen, dachte sie.
    Sie trat auf den Mann zu. »Markus Gföllner?« Der Mann mit der Rugby-Statur nickte, und Tamar fasste ihn am linken Oberarm und drückte zu. Markus Gföllner schrie auf und griff mit der rechten Hand nach ihrem Handgelenk, traute sich aber nicht, ihre Hand loszureißen. »Sind Sie verrückt?«, brachte er heraus und starrte sie aus schmerzdunklen Augen an.
    »Sie hätten mit der Wunde zu einem richtigen Arzt gehen sollen«, sagte Tamar, »es ist eine Schusswunde, nicht wahr? Der Kurpfuscher, bei dem Sie waren, hat sie nicht richtig gesäubert. Aber wir bringen Sie jetzt zu einem ordentlichen Arzt. Er wird sich die Wunde ansehen, und er wird sie sachgerecht behandeln. Und Sie werden mir erklären, wie Sie zu dieser Wunde gekommen sind. Erzählen Sie mir nicht, dass es ein Jagdunfall war. Das würde ich Ihnen nicht glauben.«
     
    Vor vier Monaten war die Syrlinstraße über Wochen hinweg gesperrt gewesen, weil die Stadtwerke eine Gasleitung verlegt hatten. Dann war die Straßendecke wieder geschlossen worden, aber vor zwei Monaten hatte das Tiefbauamt begonnen, einen neuen Straßenbelag aufzubringen. Das hatte drei Wochen gedauert. An diesem Morgen nun war ein Bagger der Telekom aufgezogen, um Glasfaserkabel zu verlegen. Der Bagger kantete die Straßendecke auf, erwischte mit einem Schaufelzahn einen Flansch der Gasleitung und riss sie auf.
    Gas strömte aus, der Baggerführer klingelte einen Nachbarn heraus und rief bei den Stadtwerken an, die eilends die Hauptventile schließen ließen und einen Trupp Techniker schickten. Um den Technikern Platz zu machen, stieß der Baggerfahrer zurück und blockierte die Syrlinstraße.
    Im Stau befand sich auch ein blauer Audi mit den Kriminalbeamten
Kuttler und Berndorf. »So hab ich mir das immer vorgestellt«, sagte Berndorf. »Du hast einen Fall, rennst dir die Hacken ab, um ein Fitzelchen Wahrheit herauszufinden, und wenn du es endlich hast und einen Schlussstrich machen willst, reißen die Bagger der Telekom die Straße auf, und du steckst im Stau.« Er holte ein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase.
    »Soll ich das Blaulicht aufs Dach setzen und versuchen, über den Gehsteig zurückstoßen?«, fragte Kuttler.
    »Und dabei rücklings die Telefonzelle da hinten rammen? Nein danke«, meinte Berndorf. »Lassen wir Justitia ein bisschen warten. Sie ist es ja gewöhnt.« Er nieste.
    »Gesundheit«, sagte Kuttler mechanisch und betrachtete den Gehsteig. Eine Frau ging vorbei, eine Plastiktüte in der Hand. »Moment.« Kuttler wandte sich dem Kommissar zu. »Können Sie mir wohl sagen, was Vera Vochezer hier zu tun hat?«
    Berndorf sah hoch. Sein Blick suchte nach der Frau, aber sie war bereits von einem Müllcontainer verdeckt. »Ich steig aus und geh ihr nach«, sagte er. »Und Sie versuchen vielleicht doch den Trick mit dem Rückwärtsfahren.« Er öffnete die Tür und quälte sich etwas mühsam aus dem Wagen. Kuttler hatte das Fenster geöffnet
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