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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
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Heinzmann war mehr als das. Er war Andis bester Freund. Andi kannte ihn bereits seit der Gymnasialzeit. Zusammen hatten sie die Rekrutenschule gemacht, dann, ein paar Jahre danach, auch die Aspirantenschule der Polizei. Andi war daraufhin Kommissar geworden. Heinzmann fuhr seit mehr als zwanzig Jahren Streife. Er war trotz seiner immensen Erfahrung immer noch Wachtmeister, auch wenn er schon längst hätte Offizier sein müssen. Er war es gewesen, der seinem Freund Andi das Leben gerettet hatte, als diesem bei einem Einsatz auf Leben und Tod in den Oberschenkel geschossen worden war. Ein anderer hätte dafür sicherlich eine Beförderung bekommen. Aber dieser Wachtmeister bekam für diese Heldentat keine Belobigung, keinen Orden, keinen Bonus. Zu beschäftigt waren die »Politiker« im Korps mit ihren Spielchen, als dass sie sich mit einem Heinzmann hätten schmücken wollen. Es gab nicht einmal ein Dankeschön von offizieller Seite. Kein Gar Nichts. Heinzmann war das völlig egal.
    Am Swimmingpool im Hotel Delphina drückte Kommissar Baumer auf das grüne Telefonsymbol an seinem Handy und führte es zum Ohr. »Ja«, sagte er kurz angebunden.
    Heinzmann, am anderen Ende der Leitung, war durch die knappe Begrüßung seines Freundes nicht überrascht. Er wusste, dass diese Art des Sprechens in Baumers Naturell lag. Er selbst hingegen war bestens geerdet, suchte immer das Positive und schaute nur nach vorn. Er plauderte gerne und war meistens gut gelaunt. Prompt begrüßte er seinen Kumpel, indem er Falcos berühmten Song nachahmte: »Guten Tag, Herr Kommissar! «
    »Hast du nichts zu tun?«
    »Hoppla, Baumi! Dir geht’s offenbar supergut.«
    Keine Antwort.
    Der altgediente Polizist lachte los. »Also ich sehe, du und dein Schatten seid gut in Kreta angekommen. Hättest mich ruhig anrufen können, mein lieber Freund.«
    »Jetzt weißt du’s ja.«
    »Du! Werd mir nicht frech. Bürschchen«, ahmte Heinzmann den Schauspieler Heinrich Gretler nach, der den grantigen Wachtmeister Studer in dem alten Schweizer Film spielte.
    Baumer taute endlich auf und imitierte seinerseits einen Gauner, der von Studer gestellt worden war. »Schon gut, Wachtmeister, ich bin halt so. Ich mein es aber nicht schlecht.«
    »Und wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Kommst du überhaupt vorwärts? Schaffst du es ins Meer?«
    Selbst für Baumer waren das einige Fragen zu viel, aber er wusste, dass Heinzmann einfach wissen wollte, ob alles in Ordnung sei. Also antwortete er: »Es ist ganz gut hier. Das Hotel ist okay. Unser Zimmer ist ebenerdig, sonst würde es nicht gehen. Und ich kann selbst griechischen Kaffee machen. Das ist das Wichtigste.«
    »Für dich, ja. Mir ist in den Ferien der Instantkaffee vom eigenen kleinen Kocher noch immer lieber.«
    Kommissar Baumer lachte innerlich über Heinzmann und seine Ignoranz gegenüber gutem Kaffee. Zugleich war er ein wenig betrübt, dass der Wachtmeister nur einfach so angerufen hatte. Keiner in Basel hatte seinen Rat gebraucht. »Okay, dann ist ja alles klar, Stefan. Danke für den Anruf. Uns geht’s gut. Auch ohne deinen Schwachstromkaffee.«
    »Halt, noch was«, stoppte Heinzmann seinen Freund kurz vor dem Auflegen. »Hör zu, Andi! Frau Amadio hat mehrmals angerufen. Sie will dich dringend sprechen.«
    »Die Amadio? Mich?«
    Andi erinnerte sich an Helen Amadio-Meier. Sie war eine mittlerweile 85 Jahre alte Frau, die er bei seinem letzten Fall kennengelernt hatte. Er erinnerte sich gerne an die lebenserfahrene, alte Dame. Als er im Spital gelegen war, war tatsächlich einmal die Zimmertür aufgegangen. Dann hatte es einen sehr langen Moment des Wartens gedauert, bis die kleine, in der Brust eingefallene, aber immer vife Frau um die Ecke geschaut und den Ort gemustert hatte. Schließlich hatte sie Baumer im Bett erkannt und gerufen: »Je, der Herr Kommissar!« Sofort war die Rentnerin – sie hatte Baumer nicht um Erlaubnis gefragt – mit tippeligen Schritten in das Zimmer gekommen. Ihre Hände hatte sie dabei wie der Papst in die Höhe geworfen, sie wieder fallen gelassen, um sie gleich noch einmal jubilierend aufzuwerfen. Von den in den Raum vorausgeworfenen Händen wurde ihr Körper wie ein verrosteter Karren von durchgehenden Pferden vorwärtsgezogen. Sie rief immer wieder: »Je, das ist aber eine Freude.«
    Auch Andi Baumer hatte sich enorm über den Besuch der alten Frau gefreut. Er konnte es gut mit alten Leuten, weil er als Kind gern mit seiner Großmutter aus Zeglingen, im ländlichen
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