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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
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wischte sich grob über sein Gesicht, immer auf und ab, als wäre es hartnäckig verschmutzt und er müsste es waschen.
    »Ich weiß nicht«, brummte er schließlich. »Vielleicht sollte ich mal in Basel anrufen, schauen was läuft.«
    Anna verdrehte die Augen.
    Schnell fügte er an: »Wobei, ich hätte durchaus auch Lust, im Meer zu schwimmen.« Er reckte sich. »Aber vielleicht ist es einfacher, hier am Swimmingpool zu bleiben, auch wenn er nicht genial ist.«
    »Das ist mir egal, Andi. Mir ist es recht. Ich muss nicht an den Strand. Ich habe feinen Sand sowieso nicht so gern. Da ist man dann überall voll davon und kriegt ihn nicht mehr weg.«
    »In Kreta gibt es nur wenige Sandstrände. Hier hat es meist nur Kies«, erklärte Andi, weil er vor über zwanzig Jahren das erste Mal auf dieser Insel war und sich an schroffe, felsige Buchten erinnerte. Damals war er mit seiner ersten richtigen Freundin in einer uralten Caravelle der AirInter in Kreta gelandet. Gemeinsam hatten sie ganz Kreta als Rucksacktouristen erkundet. Baumer erinnerte sich an völlig unbeschwerte Ferien.

    Drei Baileys und dann Liebe.

    Das war lange vor seiner Zeit mit Maja gewesen. Er dachte immer gerne an dieses unschuldige Leben zurück. Damals, als ihnen alle Türen offen standen und der Himmel so unendlich blau war wie sonst nur im bekannten Baslerlied.
    Jetzt war Baumer erneut auf Kreta, mit Anna, mit seiner ehemaligen Krankenschwester. Er machte sich Sorgen, ob er sich nicht zu voreilig auf diese Reise eingelassen hatte. Immerhin ging er noch an Stöcken. Er käme wohl nur selten dazu, im Meer zu schwimmen. Das würde dem sportlichen Andi Baumer sehr fehlen.
    Auch auf die in seinen Badeferien gern geschlürften ein oder zwei coolen Sommerdrinks würde er verzichten müssen. Darauf würde seine Begleiterin achten, schon wegen seiner Schmerzmittel. Bereits im Flugzeug hatte sie ihn gescholten, dass er einen Baileys trank – ein Ritual, dem er bei Reisen nach Griechenland nicht entsagen konnte.
    Und der Sex? Vielleicht käme es ja tatsächlich einmal dazu, auch wenn der logistische Aufwand aufgrund der behindernden Beinschiene von Andi die Lust wohl dämpfen würde. Es könnte dennoch schön sein. Er würde auf dem Rücken liegen bleiben und müsste sich nicht bewegen. Anna würde mit ihrem weichen Körper sanft über seinen Lenden kreisen, wie eine grazil sich windende Schlange, die allen Bewegungen der Flöte eines indischen Fakirs nachkommt. Möglicherweise würde sein verletztes Bein auch Einspruch gegen allzu viel Intimität erheben.
    Was würde er sonst tun können? Wohl nicht allzu viel. Erneut dachte Baumer, dass er in seiner jetzigen Verfassung in seinem Bürostuhl in Basel wohl eine bessere Façon machen würde. Sowieso. Dort hätte er zu tun, könnte sich dank seiner Arbeit stärker ablenken.

    Vergessen.

    Maja vergessen.

    Maja.

    »Woran denkst du, Andi?« Anna hatte ihren Kopf zu ihm hingedreht.
    Er fühlte sich ertappt. Er schämte sich, dass er jetzt in diesem Moment nicht ehrlich genug zu seiner neuen Freundin sein konnte. War sie überhaupt seine neue Freundin? Er konnte dazu noch nichts Genaues sagen, wollte nichts sagen. Noch nicht. Also gab er keinen Laut von sich.
    Die junge Frau insistierte nicht länger, drehte ihren Kopf zurück. Ihre Enttäuschung war ihr nicht anzusehen, aber Baumer spürte ihre Gefühle, einfach weil er Polizist war und Übung darin hatte, feinste Regungen in der Stimmung einer Person zu erspüren.
    Augenblicklich tat es ihm leid. Er wollte seine Begleiterin nicht verletzen. Anna war immer nett zu ihm. Im Spital war sie tatsächlich seine Lieblingskrankenschwester gewesen. Nicht ein Trampel wie ein paar der anderen Schwestern, die ihre Arbeit grob verrichteten. Im Gegensatz zu solchen kanadischen Holzfällerweibern war sie eine französische Landschaftsgärtnerin aus dem Rokoko. Und Anna war hübsch. Viele sagten, bezaubernd. Sie hatte eine hinreißende Figur und zärtliche Hände. Ihre Lippen waren die einer Mona Lisa. Anna lächelte immer. Auch Andi fand sie wunderhübsch. Sie war die schönste Frau der Welt.

    Fast.

    Eines Nachts, sie hatte Spätdienst, kam sie zu ihm ins Krankenzimmer geschlichen, wieder einmal. Diese Besuche waren das kleine Geheimnis der beiden. Doch dieses Mal schien sie anders. Scheu wie ein Reh und zugleich zielstrebig wie ein Tiger näherte sie sich. Sie setzte sich direkt neben ihn, wie schon in so manchen Nächten zuvor. Aber an diesem Abend war es intimer. Sogleich
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