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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
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Oberbaselbiet, nahe der großen Stadt Basel unterwegs gewesen war. Andi durfte sie in den Schulferien besuchen. Sie beide hatten ein inniges Verhältnis. Andi liebte sie über alles, und jede ältere Frau hatte bei Baumer daher sofort einen dicken Stein im Brett.
    Jetzt hatte diese kleine, quirlige Amadio also wieder angerufen. Aber gleich ein paar Mal?
    »Was wollte sie denn?«, fragte Baumer.
    »Das weiß ich nicht. Ich habe nicht selbst mit ihr gesprochen, sondern die Huber von der Telefonzentrale. Die wusste aber nicht, dass du schon wieder abgerauscht warst.«
    Andi war, kaum dass er aus dem Spital entlassen worden war, wieder in seinem Büro gewesen und hatte zu arbeiten begonnen, hatte Berichte geschrieben. Darum war sein Telefon aktiviert. Als sie aber so kurzentschlossen abgeflogen waren, hatte er vergessen, es abzustellen.
    Sein Warnsystem im Solarplexus hatte Baumer nicht zurückgelassen. Es meldete sich, selbst als er jetzt in einer Badehose an einem Swimmingpool in Kreta lag. »Was will eine alte Baslerin von einem Kommissar?«, hörte er sich selbst sagen. Dann dachte er: »Mist, wenn ich jetzt noch in Basel wäre, hätte ich schnell bei ihr vorbeigekonnt, schauen, was los ist.«
    »Du ruhst dich erstmal aus«, erkannte der erfahrene Wachtmeister den Gedanken seines Freundes. »Ich kümmere mich um die Madame.«
    Baumer wollte seinem Kumpel zuflüstern, dass er ihn anrufen solle, wenn er Näheres wisse, aber ein scheuer Blick zu seiner Begleiterin ließ ihn sogleich verstummen.
    Zum Glück war Heinzmann ein echter Freund. Er sagte: »Ich ruf dich an, sobald ich mehr weiß. So schlimm wird es ja wohl nicht sein.«

2
    Am Abend hatte Anna einen schweren Sonnenbrand. Sie merkte es, als sie sich vor dem Zubettgehen nochmals duschte um abzukühlen. Als sie sich mit dem Frotteebadetuch abrieb, schrie sie plötzlich vor Schmerzen auf.
    Andi hörte sie kreischen – er lag schon müde in den Federn. Besorgt rief er ihr ins Badezimmer zu, was los sei.
    Anna antwortete nur mit einem verquetschen »Ai«, denn sie hatte ihren Kopf so weit wie möglich nach hinten gedreht und versuchte ihre Haut auf dem Rücken zu inspizieren.
    »Was ist?«
    »Ich glaube, ich habe mich verbrannt«, stellte sie erschreckt fest.
    Andi Baumer war über diese Diagnose nicht erstaunt. Seine hellhäutige Begleiterin war heute ohne Rücksicht auf Verluste in der prallen Sonne gelegen. Irgendwie verstand er sie sogar, dass sie so schnell wie möglich braun werden wollte und sich auf Teufel komm raus der Sonne ausgesetzt hatte.
    Anna hatte sicherlich Schmerzen, und Andi hatte immer Mitleid, wenn eine Kreatur litt. Kam dazu, dass er Anna sehr mochte. Also senkte er seine Stimme und sprach langsam und mit gedehnten Worten, grad so wie ein liebender Großvater zum weinenden Kind spricht. »Wo hast du dich denn verbrannt? Komm! Zeig mir mal, wo es weh tut.«
    Sie kam bereits auf Zehenspitzen um die Ecke vom Bad ins Wohnzimmer, den Kopf in verzweifeltem Erstaunen über die Schulter gedreht, um den Schaden zu begutachten. Dass sie völlig nackt war, hatte sie ganz vergessen, ohnedies hatte sie keine Scham, sich vor Baumer entblößt zu zeigen. Andi dachte noch: »Wie schön du bist«, aber sie setzte sich rasch zu ihm hin und präsentierte ihm ihren Rücken, noch bevor er ein solches Kompliment hätte aussprechen können. Es war auch nicht Zeit dafür.
    Andi sah, dass sich Annas Rücken in einem krebsigen Rot präsentierte. Alle anderen Farben, etwa das Grün, das nur der aufmerksame Maler in der Haut eines Menschen sieht, schien daraus verschwunden. »Oh, das tut mir leid. Da hast du dich schon ein klein wenig verbrannt.«
    Anna schossen vor Wut ein paar Tränen in die Augen und sie begann knackige Anschuldigung und Verwünschungen gegen sich und die Welt herunterzuleiern. Wie hatte gerade ihr das passieren können?
    Andi war sich bewusst, dass sie niemandem ernsthaft böse war. Auch Anna war nur eine Frau. Sie hatte wie die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen nichts dagegen, so schön wie möglich wahrgenommen zu werden. Sonnengebräunt zu sein, gehörte da zum Repertoire. Also hatte sie so viel Sonne tanken wollen, wie möglich. Und nun hatte es in einem Drama geendet. Natürlich hatte er das verhindern wollen. Er hatte während des Tages auch immer wieder versucht, sie zu ermahnen, doch mehr bei ihm im Schatten zu bleiben. Genau so gut hätte er an eine Wand reden können.
    Jetzt saß Anna zornig und traurig zugleich an der Seite von Baumer
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