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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben
Autoren: Lois Duncan
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verstanden hatte, durften wir noch nicht mal in den Flur hinaus. Der einzige Zufluchtsort war eines der Schlafzimmer, also rannte ich in das nächstgelegenere der beiden und schlug die Tür hinter mir zu. Dann blickte ich mich ratlos um und fragte mich, was ich jetzt machen sollte.
    Das Zimmer bot nicht viele Alternativen. Es standen zwei Einzelbetten darin, zwei Kommoden und ein Flachbildfernseher. Ich schaltete ihn an, zappte durch die Programme, bis ich bei einer Wiederholung von Friends landete, und warf mich auf eines der Betten.
    Zuerst war ich mir sicher, dass Mom mir hinterherlaufen und versuchen würde, mich dazu zu überreden, wieder zu ihnen ins Wohnzimmer zu kommen. Aber ich wartete vergeblich, und irgendwann wurde mir klar, dass ich in einer Falle saß, die ich mir selbst gestellt hatte. Ich konnte nicht ewig in diesem dämlichen Zimmer bleiben, aber zurück ins Wohnzimmer zu gehen, ohne darum gebeten worden zu sein, wäre dasselbe gewesen, wie wenn ich Jims absurden Regeln zugestimmt hätte. Der Gedanke war mir unerträglich, weil ich mich absolut im Recht fühlte. Jim, der Steve überhaupt nicht kannte, stand es nicht zu, darüber zu urteilen, wem man vertrauen konnte und wem nicht.
    Die Friends -Folge zog sich schier endlos in die Länge. Danach kamen ein Werbeblock und die Sechs-Uhr-Nachrichten. Ich konnte kaum fassen, dass es erst sechs war. Mein Blick wanderte zu dem Radiowecker auf dem Nachttisch, und erst in dem Moment nahm ich wahr, dass daneben ein Telefon stand. Überrascht richtete ich mich auf. Ich hatte gedacht, dass es nur das Telefon im Wohnzimmer gäbe.
    Nachdenklich starrte ich auf den silbernen Apparat und fühlte mich, wie Eva sich gefühlt haben musste, als sie den Apfel sah. Alles, was ich tun musste, war, Steves Nummer zu wählen, unsere Verabredung abzusagen und ihm den Grund dafür zu erklären. Ich wusste, dass er zu Hause war, weil sein Bruder Billy im Juniorteam der Baseballmannschaft war und die Chandlers immer früh zu Abend aßen, wenn Spiele anstanden. Solange der Fernseher lief, würde im Wohnzimmer niemand mitbekommen, dass ich heimlich telefonierte, und der Anruf würde erst entdeckt werden, wenn er auf unserer Hotelrechnung auftauchte. Bis dahin hätten wir längst ausgecheckt und wären auf dem Weg nach Hause, sodass sich niemand mehr über meinen kleinen Regelverstoß aufregen würde. Ich wollte gerade danach greifen, als es plötzlich zu klingeln begann. Das Geräusch war so unerwartet, dass ich reflexartig abnahm.
    Ich wollte schon zu einem »Hallo« ansetzen, als ich Jims Stimme hörte und mir klar wurde, dass er den Anruf im Wohnzimmer entgegengenommen hatte.
    »… im Großen und Ganzen, ja«, hörte ich ihn sagen. »Ich bin mir sicher, dass uns niemand gefolgt ist, es sei denn, er kann sich unsichtbar machen. Bist du wieder im Büro?«
    Die Stimme, die antwortete, gehörte Max. »Nein. Ich benutze einen anderen Anschluss, um ganz sicherzugehen, dass wir nicht abgehört werden können. Wie geht es euch? Wie hält sich Liz?«
    »Den Umständen entsprechend«, sagte Jim. »Natürlich macht sie sich große Sorgen um ihren Mann, aber … Warte, sie möchte selbst mit dir sprechen.«
    Es entstand eine kurze Pause, dann sagte Mom: »Ich will mit George reden, Max.«
    »Ich versuche, alles Notwendige in die Wege zu leiten, damit er sich morgen bei dir melden kann«, sagte Max. »George steht unter Personenschutz und ist in seinem Hotelzimmer, aber von dort kann er dich nicht anrufen. Es haben einfach zu viele Leute Zugang zur Telefonzentrale des Hotels. Sein Handy darf er auch nicht benutzen, aber vielleicht kann ich ihm ein neues organisieren. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
    »Es geht ihm doch gut, oder?«, fragte Mom besorgt.
    »George geht es bestens, Liz. Nach dem Vorfall heute wird die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt. Es dürfen nur noch die Anwälte und die Geschworenen anwesend sein.«
    »Ich würde mich wesentlich besser fühlen, wenn ich einfach nur seine Stimme hören könnte«, sagte Mom.
    »Ich werde mich dafür einsetzen, dass du morgen mit ihm reden kannst. Und jetzt gib mir bitte noch mal Jim. Ich muss noch ein paar Dinge mit ihm besprechen.«
    Es entstand erneut eine kurze Pause, dann kehrte Jim an den Apparat zurück. »Ja, Max?«
    »Was ich dir jetzt erzähle, muss unter uns bleiben«, sagte Max eindringlich. »Hör einfach nur zu, ohne dich dazu zu äußern. Heute wurde ein Eilbrief für George zugestellt,
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