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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition)
Autoren: Horst Eckert
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dachte Vincent.
    «Okay, Ihre Entscheidung», sagte Engel, und es hörte sich wie eine Drohung an.

3

    Vincent verließ den Paternoster im zweiten Stock der Festung. Er tippte den vierstelligen Code in das Kästchen neben der Glastür, drückte sie beim Summton auf und steuerte Dominiks Büro am Ende des Flurs an.
    Stickige Luft. Dem Neuling hatte man das kleinste Kabuff zugeteilt, mit vier Leuten war es hoffnungslos überfüllt. Dominik war von den Betrügern gekommen und war noch keine dreißig. Ein pfiffiger Kerl, Grübchen im Kinn, krauses dunkelblondes Haar. Es hieß, der Kripoleiter protegiere ihn. Vermutlich bloß ein Gerücht – die Kollegen zerrissen sich gern die Mäuler.
    Vincent zog die Lederjacke aus. Der Junge überließ ihm den Platz hinter dem Schreibtisch und baute sich vor dem Zeugen auf. Der Ukrainer, Anfang zwanzig, helles Haar, helle Augen, war in Odessa zu Hause und hieß Alinew mit Nachnamen. Er saß mit krummem Rücken auf dem Besucherstuhl, klemmte die Hände unter die Schenkel und hielt die Füße nach innen gedreht – ein deutliches Zeichen dafür, dass er sich unbehaglich fühlte.
    Der Dolmetscher, ein Mittvierziger im grauen knittrigen Anzug, sprach deutsch mit sächsischem Einschlag. Einer der beiden Männer roch unangenehm, mangelnde Körperhygiene. Vincent blätterte in der Akte und entdeckte nichts, was er noch nicht wusste.
    Mehrere Bauarbeiter hatten ausgesagt, Alinew habe vor Ausbruch des Feuers eine verdächtige Person um das Zelt schleichen gesehen, doch als Dominik ihn jetzt darauf ansprach, schüttelte Alinew den Kopf. Er habe sich lediglich wichtig machen wollen. Als er das Zelt erreichte, habe es bereits lichterloh gebrannt. Aber wirklich gelogen habe er nicht, denn dass jemand das Feuer gelegt haben musste, sei doch klar.
    Vincent tippte das Protokoll in den Computer und überließ es Dominik, die Fragen zu stellen. Er war gespannt, wie sich der Neuling anstellte.
    Dominik spielte die Aufnahme des Notrufs ab. Ein aufgeregtes, kaum verständliches Gestammel in gebrochenem Deutsch. Der Kollege in der Leitstelle musste mehrfach nachfragen. Dann waren im Hintergrund Schreie zu hören. Vincent lief es kalt den Rücken hinunter.
    Der Ukrainer verschränkte die Arme und steckte die Hände unter die Achseln. Er räusperte sich und bestätigte, dass er der Anrufer gewesen sei.
    Dominik hielt ihm noch einmal vor, was andere Zeugen berichtet hatten. Der Bauarbeiter kaute auf seiner Unterlippe. Vincent fiel auf, dass Alinews Blick immer wieder den Wandkalender fixierte. Picassos Zwei Frauen, am Strand laufend . Wuchtige Körper, ausgestreckte Arme – Vincent erinnerte sich, wie er einst mit Nina in Paris vor dem Original gestanden hatte. Was löste das Bild in Alinew aus? Die Erinnerung an einen Strand am Schwarzen Meer, an eine Freundin, die zu Hause auf ihn wartete?
    Schließlich unterbrach Vincent die Befragung und bat Dominik hinaus auf den Flur.
    Der junge Kollege wirkte zerknirscht. «Was meinst du, wo sollen wir noch einmal ansetzen?»
    «Lass ihn gehen.»
    «Aber der Typ lügt doch. So nervös, wie der ist. Womöglich hat er das Feuer gelegt!»
    «Dir würden an seiner Stelle auch die Nerven flattern, wenn dich die deutsche Polizei in die Mangel nehmen würde.» Vincent vermutete, dass Alinew von der Stadt kaum etwas zu sehen bekam. Die meisten Arbeiter wohnten auf der Baustelle, Alinew zum Glück in einem Container.
    «Bist du dir sicher?», fragte Dominik.
    «Es gibt Anhaltspunkte. Wenn jemand erst mitten im Gespräch Stresssymptome zeigt, dann spricht das für eine Lüge. Wenn aber einer von Anfang an … Ich meine, beim nächsten Mal solltest du zuerst für eine entspannte Atmosphäre sorgen.»
    «Also hab ich’s vergeigt.»
    «Nicht so schlimm.»
    Dominik fuhr sich durch die Locken. «Ela behauptet, du hättest Psychologie studiert.»
    «Ein paar Semester.»
    «Warum bist du zurückgekommen?»
    «Die pure Sehnsucht.»
    Sie lachten.
    Anna Winkler trat aus dem Geschäftszimmer am Ende des Flurs, bemerkte Vincent und eilte mit raschen, kurzen Schritten herbei. Sie drückte ihm einen Stapel Papiere in die Hand. «Der vorläufige Bericht des Sachverständigen, frisch aus dem Fax. Fahrlässiger Umgang mit einem Heizlüfter. Kein Brandbeschleuniger. Vorsatz können wir demnach mit größter Wahrscheinlichkeit ausschließen.»
    «Du hattest recht», sagte Dominik zu Vincent und räusperte sich. «Ich schick den Zeugen dann wieder zurück.»
    «Im Protokoll fehlt noch die
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