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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition)
Autoren: Horst Eckert
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Ufer. In der Strömung mühte sich ein Frachter ab und kam kaum von der Stelle.
    Vincent raste auf die Innenstadt zu, deren Bürotürme im Dunst flimmerten. Er musste an einen Spielfilm von Dominik Graf denken, der mit genau dieser Fahrt begann. Man müsste den Streifen noch einmal drehen, dachte er. Damals war noch alles überschaubar gewesen. Die Zukunft hatte noch nicht begonnen.

2

    Auf der anderen Rheinseite bog Vincent nach Norden ab und steuerte die Gneisenaustraße an, wo er in zweiter Reihe parkte, vor seiner Haustür. Er ging hinauf und wechselte die Schuhe. Die alten säuberte er grob mit Lappen und Bürste, stopfte sie mit Zeitungspapier aus und stellte sie zum Trocknen auf den Balkon.
    Als er die Wohnung wieder verlassen wollte, fand er einen Zettel, den Nina ihm offenbar hingelegt hatte, bevor sie zur Arbeit gegangen war. Ihr Psychologendeutsch, das ihn in letzter Zeit so nervte.
    Ich habe keine Lust, für deine verkorkste Kindheit in Haftung genommen zu werden. Deine Verlustängste musst du anderswo therapieren. Ich kann das nicht mehr.
    Er lief ins Schlafzimmer und öffnete die Schranktür auf ihrer Seite. Tatsächlich: Ein guter Teil der Kleiderbügel war leer. Der große Koffer fehlte. Vincent starrte auf das Bett und wusste schon jetzt, dass er sich heute Abend verloren fühlen würde.
    Magengrimmen. Vincent verriegelte die Wohnungstür. Auf dem Weg nach unten meldete sich sein Handy – die Nummer auf dem Display gehörte zur Festung, wie sie das Präsidium polizeiintern nannten.
    Dominik Roth, der Neue im Team. Er sei im Moment allein, und der Ukrainer, der gestern Abend den Notruf gewählt hatte, stehe zur Vernehmung an. Der Dolmetscher warte bereits.
    «Ela meint …»
    Vincent unterbrach ihn. «Ist der Bericht des Sachverständigen schon eingetroffen?»
    «Nein.»
    «Kannst du die Vernehmung nicht allein machen?»
    «Die Chefin meint …»
    «Na gut.» Vincent hatte die Straße erreicht, mit dem Funkschlüssel entriegelte er den Wagen. «Gib mir zehn Minuten.»

    Autoradio, die Elf-Uhr-Nachrichten auf WDR2 : Die Landesregierung führungslos. Ministerpräsident Castorp, vor drei Tagen abgetaucht, sei von Journalisten in der Schweiz gesichtet worden. Vincent fiel Genf ein, das Beau-Rivage , ein anderer Politiker, der sich zum Sterben in eine Wanne gelegt hatte. Oder gelegt worden war – schlampige Ermittlungen der dortigen Kollegen. Wie lange war das her?
    Die zweite Meldung behandelte den Brand auf der Baustelle am Seestern. Die Details waren bereits durchgesickert: die leicht entflammbare Zeltplane, nur ein einziger Feuerlöscher, obendrein leer, kein zweiter Ausgang. Tote und Verletzte in einer Unterkunft, die es nie hätte geben dürfen. Ein Politiker der Opposition beklagte Schlendrian und Profitgier, ohne Osterkamps Baufirma konkret zu benennen. Die Mahnwache wurde erwähnt – bislang verlaufe der Protest friedlich.
    Mit Knopfdruck wechselte Vincent zum Deutschlandfunk . Noch einmal der Castorp-Skandal. Ein Sprecher der Regierungspartei beteuerte, der Ministerpräsident sei allein für den Lauschangriff auf die Oppositionsbüros verantwortlich. Typisch, dachte Vincent. Wenn es herauskommt, will keiner etwas gewusst haben.
    Dann ging es um Syrien, Spanien, um den Euro. Der übliche Irrsinn.
    Der Verkehr stockte, Schneckentempo, irgendeine Messe in der Stadt. Vincent fielen Plakate auf der anderen Straßenseite auf. An jeder Laterne das gleiche Frauengesicht in Schwarz-Weiß, das ernst herüberblickte, irgendwie vorwurfsvoll. Er las den Text, zuoberst der Name seiner Mutter:
    Brigitte Veih, Schwarzlicht. NRW-Forum Düsseldorf, 28. März bis 13. Mai .
    Die Ausstellung lief also nur noch bis heute.
    Nina hatte die Einladung zum Eröffnungsabend wahrgenommen, aber er war zu Hause geblieben. Es missfiel ihm, dass seine Mutter aus ihrer Vergangenheit Kapital schlug.
    Das Handy. Benedikt Engel, der Kripochef. Die Nummer drei in der Hierarchie der Behörde – Vincent wunderte sich, dass sich der Mann direkt an ihn wandte.
    «Bei mir läuft das Telefon heiß», sagte Engel und klang nach schlechter Laune. «Alle Welt will wissen, wie es zu dem verdammten Feuer kommen konnte. Außerdem machen Osterkamps Leute Druck. Angeblich kostet es pro Stunde zigtausend Euro, wenn die Arbeit auf der Baustelle ruht. Haben Sie etwas Konkretes, Veih?»
    «Dafür ist es noch zu früh.»
    «Wann können wir den Tatort freigeben?»
    «Sobald wir sicher sind, nichts mehr zu finden.» Eigentlich eine Binsenweisheit,
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