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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Merciel
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begrüßen.
    Malentir. Der Schüler der Spinne. Bitharn hatte den Mann nie zu Gesicht bekommen, aber sie kannte seinen Namen und wusste von seinen Verbrechen. Zwei Geweihte Celestias und ein Gesegneter hatten bei der Jagd auf ihn im vergangenen Herbst in einem winzigen Dorf nördlich von Aluvair den Tod gefunden. Es war eine brutale Schlacht gewesen, grausam, und sie hatten für den Gewinn einen hohen Preis gezahlt. Dornen waren schwer zu töten und noch schwerer einzufangen. Malentir war der Einzige, den die Celestianer jemals lebend in die Hände bekommen hatten.
    Und sie würde ihn freilassen.
    »Eine Besucherin«, sagte er, während er an die Gitterstäbe trat. Seine Stimme war kultiviert und melodisch, mit einem weichen, östlichen Akzent. »Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?«
    Bitharn musterte ihn sorgfältig, bevor sie Antwort gab. Die Gefangenschaft war dem Dornenlord nicht gut bekommen. Er sah gut aus, auf eine exzentrische, grausame Weise, aber nach einem halben Jahr im Turm war sein Gesicht ausgezehrt und hohlwangig. Dunkle Ringe umschatteten seine Augen, und seine Roben waren an den Ärmeln und am Saum durchgescheuert. Ein Kragen aus Glas, durchsichtig wie die Gitterstäbe und mit dem gleichen Goldfäden in der Mitte, lag ihm um den Hals. Diese Halsfessel blockierte seine magischen Fähigkeiten; dadurch blieb er ungefährlich, harmlos. Dennoch hielt er sich mit solchem Hochmut wie ein König, vor dessen Thron eine Bittstellerin stand.
    Sie biss die Zähne zusammen. »Mein Name ist Bitharn. Ich will Euch hier herausholen.«
    »Aha.« Er bedachte sie mit einem schwachen, herablassenden Lächeln, als hätte sie angekündigt, sie sei gekommen, um den Nachttopf zu säubern. Dann zupfte er einen verschossenen Ärmel zurecht. In den Schlitzen zeigte sich Elfenbein und Schwarz, was gut zu seinem vielfarbigen Haar passte. Sie erhaschte einen Blick auf bleiche, runzlige Narben um sein Handgelenk. »Kraft wessen Autorität, wenn ich das fragen darf? Für gewöhnlich sind nämlich mehr Wachen in meiner Eskorte. Der Gedanke wäre mir verhasst, dass ich meinen Gastgebern gleichgültig geworden wäre.«
    »Keine Autorität hat mich ermächtigt. Dies ist eine Flucht.«
    »Eine Flucht«, wiederholte er, und Bitharn glaubte, in den kühlen, schwarzen Augen des Dornenlords etwas aufblitzen zu sehen.
    »Genau das habe ich gesagt. Kommt Ihr mit?«
    »Das hängt von der Situation ab. Wie sieht Euer Plan aus? Ich habe kein großes Interesse daran, wieder eingefangen zu werden. Eine ganze Reihe sonnengeblendeter Fanatiker würde mich lieber tot als eingekerkert sehen, und ich habe noch weniger Interesse daran, ihnen dazu eine Chance zu geben.«
    »Der Hüter ist betäubt. Er hat Kleider zum Wechseln in seinem Quartier. Wir werden Euch wie einen Solaros kleiden, Ihr werdet die Kapuze tief ins Gesicht ziehen, und wir werden fortgehen, solange es noch so dunkel ist, dass Ihr Euch verstecken könnt. Die Wachen draußen vor dem Turm kennen mich; sie werden nicht allzu viele Fragen stellen. Sie haben nach den Sonnenuntergangsgebeten gewechselt, sodass diejenigen, die mich hinausgehen sehen, nicht wissen, dass ich allein hereingekommen bin. In einem Gasthaus keine halbe Wegstunde entfernt habe ich Pferde stehen.«
    Er legte den Kopf schief und dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein.«
    Bitharn hatte das Gefühl, als habe man ihr einen Fausthieb versetzt. »Was?«
    »Oh, eine hübsche Geschichte. Sie könnte sogar stimmen. Aber ich bin nicht geneigt, mein Leben auf Ungewissheiten zu setzen, und ich kann mir absolut nicht sicher sein, dass das, was draußen auf mich wartet, ein Pferd ist und kein Pfeil. Fliehende Gefangene neigen dazu, ein schlimmes … und voraussehbares Ende zu nehmen. Nein, ich glaube, ich werde bleiben.«
    »Wenn Ihr wüsstet, was ich getan habe, um hierherzukommen …«
    »Wir sind alle kleine Sünder.« Etwas an der Art, wie sie gesprochen hatte, musste ihm jedoch zu denken gegeben haben, denn der Dornlord kehrte nicht zu seinem Schlaflager zurück. »Weshalb habt Ihr Eure begangen?«
    Er verdiente die Wahrheit nicht, und doch fiel ihr keine Lüge ein. »Ihr sollt ausgetauscht werden.«
    »Gegen wen?«
    Bitharn gab keine Antwort, aber mehr an Erwiderung brauchte er nicht als ihr vorgestrecktes Kinn.
    »Aha«, murmelte er. »Mir geht ein Licht auf. Sie haben jemanden, der Euch teuer ist. Einen Bruder oder eine Schwester? Einen Freund? Einen Geliebten vielleicht? Oh, hütet Eure Geheimnisse,
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