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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Merciel
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nützlich.
    Corban raffte seinen Umhang, zog den Kopf unter dem tief hängenden Türsturz ein und folgte Gethel in die Dunkelheit dahinter. Der Gestank nach abgestandenem Urin wurde intensiver und verflüchtigte sich dann, als er über die Schwelle trat. Es gab keine Fenster. Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, erkannte Corban bloß noch die schwachen grauen Linien der Ritzen zwischen den Brettern. Vor sich hörte er, wie Gethel sich mit der Anmut einer Katze in der Dunkelheit bewegte, zudem ein schwaches Wimmern von irgendwo weiter entfernt. Aber er konnte weder den Mann noch denjenigen erkennen, der da stöhnte.
    »Gebt mir ein Licht!«, schnarrte Corban, dann blieb er stehen, überrascht von der Anspannung in seiner eigenen Stimme. Er hatte keine Angst . Nicht vor dem halb verrückten Gethel, dem gescheiterten Zauberer, der kein Rauchpulver hervorholen konnte, ohne ertappt zu werden. Nicht vor ihm.
    Aber vor dem, was er gefunden hatte, was er geschaffen hatte … darüber würde – sollte es Gethel tatsächlich gelungen sein, diese Macht zu erwecken – kein Weiser gern im Dunkeln stolpern.
    Ein weiterer Funke sprang durch die Düsternis. Diesmal landete er auf dem Docht einer verformten Kerze in einer fleckigen Tonschale. Die Kerze verströmte beim Brennen einen ranzigen Geruch, einen Geruch, der an gesäuertes Schweineschmalz erinnerte. Corban rümpfte die Nase. Das war kein schlechter Talg; das war die Kerze eines Toten, gefertigt aus dem Fett eines gehängten Verbrechers. Idioten, die mit Nekromantie herumpfuschten, benutzten sie und behaupteten, ihr Licht offenbare Wahrheiten, die sonst vor der Sonne verborgen blieben.
    »Seid Ihr bereit?«, fragte Gethel und hob die Kerze hoch. Unter ihrem rauchigen Schein schien er eher ein Dämon als ein Mensch zu sein. Gethel war nie füllig gewesen, aber seit Corban ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er geradezu spindeldürr geworden. Die Haut lag schlaff über den Knochen; Schatten säumten sein Gesicht, und seine Augen leuchteten unnatürlich hell in ihren Höhlen. Das Haar war ihm zum größten Teil ausgefallen, und der Rest lag ihm in farblosen verfilzten Strähnen um die Schultern. Er sah aus wie ein wandelnder Leichnam – und doch war an diesem Ort, im Licht dieser Kerze eine gespannte Vitalität in ihm, die Corban beinahe Angst machte.
    Besessenheit. Das war der Ausdruck, den Gethel zeigte: der Ausdruck eines Mannes in den Fängen einer Besessenheit, eines Mannes, der sich anschickte, zu der Mätresse zurückzukehren, die seine Seele verzehrt hatte.
    »Ich bin bereit«, antwortete Corban und räusperte sich, um den Kloß aus der Kehle zu bekommen.
    »Hier entlang.« Die Kerze hüpfte in seiner Hand auf und ab, während der hagere Mann ihn in den hinteren Teil der Hütte führte. Hier gab es zwei Räume, der eine kleiner als der andere, die durch einen Vorhang aus fleckigem Sackleinen voneinander getrennt waren. Dort fiel der Boden abrupt ab; Corban stolperte, als sein Fuß ins Leere trat. Gethel hatte den Boden im zweiten Raum ausgehoben, sodass er eine volle Armeslänge tiefer lag als der festgestampfte Lehm auf der anderen Seite. Herabsickernde Feuchtigkeit hinterließ an den Wänden ihre Spuren.
    »Ich muss verhindern, dass der Rauch entweicht«, sagte Gethel, was augenscheinlich eine Erklärung sein sollte, obwohl er sich kein einziges Mal zu Corban umdrehte. Corban schaute auf. Er sah kein Rauchloch, keinen Schornstein. Auch keine Herdstelle in den Bereichen der Mauer, die im Kerzenschein zu erkennen waren. »Rauch steigt auf.«
    »Schwarzfeuerrauch sinkt herab.« Und tatsächlich, es schien, als klammere sich der körnige schwarze Gries an den Schmutz wie ein Rest Gischt, der am Strand zurückgeblieben war. Corban blieb jedoch nur wenig Zeit, darüber nachzugrübeln, denn Gethel hatte die gegenüberliegende Ecke der Hütte erreicht, und sein Licht fiel auf das Gesicht eines wimmernden Mannes, der dort hockte. Der Mann war ein Bettler. So viel verrieten seine zerlumpten Kniehosen und der spärliche, schmuddelige Bart. Selbst im Schein der Kerze war seine Nase rot und durchzogen von geplatzten Äderchen. Ein Säufer und wahrscheinlich von schwachem Geist; sein Stöhnen ergab keinen Sinn, und er umklammerte seinen Kopf mit zitternden Händen, als wolle er seine Gedanken zusammenhalten. Sein Gesicht kam Corban vage vertraut vor, aber er konnte es nicht unterbringen. Wahrscheinlich ähnelte er einfach irgendeinem anderen Bettler. Armut
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