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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Merciel
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presste sie alle in die gleiche Gussform des Elends.
    Corban verzog angewidert die Lippen: » Dies ist Euer großer Erfolg? Ihr habt mir erzählt, Ihr hättet die Geheimnisse des Schwarzfeuers enträtselt und endlich einen Weg gefunden, seine Macht nutzbar zu machen – und Ihr zeigt mir einen jämmerlichen alten Säufer?«
    »Was? Oh. Nein.« Gethel stellte seine Kerze neben eine Kiste und wühlte in dem Stroh darin, ohne zu bedenken, wie leicht es Feuer fangen könnte. »Ich habe getan, was ich versprochen habe. Der gute Belbas wird mir lediglich helfen, es zu beweisen.«
    »Belbas? Lehrling Belbas? Euer durch Schwur verpflichteter Diener?« Der Bettler stöhnte schwach, als hätten Corbans Worte einen Erinnerungsfetzen aus dem dunklen Morast seiner Gedanken heraufbeschworen, aber wenn das wirklich sein Name war, so reagierte er nicht darauf. Gethel zuckte die Achseln, ohne den Kopf von der Kiste zu heben. »Eide bedeuten in diesen Zeiten so wenig. Er wollte mich verraten. Aber jetzt … jetzt wird er mir eine Hilfe sein. Ja.«
    »Was habt Ihr getan?«, hauchte Corban. Er war Gethels Lehrling nur wenige Male begegnet, aber er wusste, dass der Junge als Gegenleistung dafür, in der Magie seines Meisters unterwiesen zu werden, Geheimhaltung gelobt hatte. Die Einzelheiten dessen, wie das Haus der Vier funktionierte, waren Corban unklar, denn er hatte nie einen Fuß in diese exzentrische Welt gesetzt und keinen Grund gehabt, ihre Spielregeln zu erlernen. Die Zauberer besaßen keine Macht jenseits von Riten und Eiden und anderem mystischem Kram, der die Leichtgläubigen verleiten sollte zu glauben, sie wären im Besitz von Geheimnissen, die es zu schützen galt. Aber die Mitglieder des Hauses der Vier glaubten von ganzem Herzen an ihre eigenen Torheiten, und Corban wurde das Gefühl nicht los, Zeuge eines Verrates zu werden, der größer war, als er fassen konnte.
    Vielleicht bildete er sich das alles nur ein. Belbas war ein junger Mann gewesen, während der Greis vor ihm alt genug war, dessen Großvater zu sein. Unvorstellbar, dass es sich um ein und dieselbe Person handeln sollte. Doch als Corban genauer hinsah, erkannte er in den verlebten Zügen des Bettlers Überreste jenes stolzen jungen Mannes. Das Fleisch war eingesunken oder geschwollen, der Geist hinter diesen blicklosen Augen gebrochen, aber die Knochen waren dieselben.
    Der Hals des Jungen war über und über bedeckt mit tiefen Narben, wo ihm jemand die zeremoniellen Tätowierungen herausgeschnitten hatte. Das zerstörte Fleisch war bleich und blutleer wie gehacktes, gesalzenes Schweinefleisch; und viel mehr als totes Fleisch war der ganze Mann nicht, obwohl er noch immer atmete.
    Es war unmöglich. Und doch hockte der Beweis ihm zu Füßen.
    Gethel richtete sich über der Kiste auf, in Händen eine kleine Armbrust und zwei Bolzen. Die Waffe glitzerte vor Öl; Strohreste klebten an Holz und Metall. Gethel betrachtete sie und stemmte den Fuß in den Riemen. Ächzend zog er die Armbrust hoch. Mit einem Klicken rastete der Auslöser ein. Gethel hielt Corban den zweiten Bolzen hin und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Obwohl die Armbrust kleiner und leichter erschien als die meisten Waffen ihrer Art – zumindest nach Corbans laienhafter Einschätzung –, war der Bolzen schwer und merkwürdig gewichtet. Der obere Teil war verdickt wie eine Kirsche; Corban war es ein Rätsel, wie solch ein Bolzen fliegen sollte. Und obwohl dieser in einer scharfen Eisenspitze endete, war die restliche Spitze filigran gearbeitet wie Schmuck. Zwischen den Metallfasern glänzte körniger schwarzer Sand. Schwarzfeuer .
    Corban hielt ein Vermögen zwischen zwei Fingern … wenn der verrückte Scharlatan recht hatte. Er zügelte seine wachsende Erregung. Noch hatte er nicht gesehen, dass es funktionierte.
    »Wie ich versprochen habe«, sagte Gethel. »Ihr haltet den Beweis in Händen.«
    »Es scheint mir eine plumpe Waffe zu sein.« Corban drehte den Bolzen um und gab ihn zurück. Dann wischte er sich das Schutzöl am Umhang von der Hand. »Fliegt er? Er dringt gewiss nicht sehr tief ein, wenn er sein Ziel trifft.«
    »Er braucht nicht tief einzudringen. Er muss bloß eine blutige Wunde schlagen. Den Rest erledigt die Magie. Seht her!« Gethel nahm die Schale mit der Kerze von der Kiste und stellte sie neben seinen seltsam gealterten Lehrling. Eine geduckte Kreatur huschte davon, als das Licht näher kam: die Ratte aus der Gasse. Belbas Hand war übersät von rohen, rosigen
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