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Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Autoren: Max Wilde , Roger Smith
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litt. Man hatte den Kleinen in einen Anzug aus dickem, gefüttertem Baumwollstoff gesteckt, damit sich der Zarewitsch beim Spielen im königlichen Palastgarten nicht verletzen und verbluten konnte. Genau so fühlte sie sich auch – nur dass sie eine Schutzschicht um ihre Seele trug.
    Skye zwang sich zur Schüchternheit. Sie beleidigte niemanden, forderte niemanden heraus. Sie erlaubte sich weder den Luxus der Wut, wenn man sie provozierte, noch den der Trauer, wenn ein geliebtes Haustier starb. Auch ihre erste Periode war spät gekommen. Mit fast fünfzehn hatte sie auf der Toilette gesessen, das Blut beobachtet, das aus ihr herausfloss und die Schüssel rot färbte, und wäre fast wahnsinnig geworden, als sie spürte, wie sich das Ding in ihr regte. Nur mit einer gewaltigen Willensanstrengung – ihre Fingernägel hatten tiefe Abdrücke im Fleisch ihrer Oberschenkel hinterlassen – war es ihr gelungen, die Finsternis zurückzudrängen und sich wieder in diesen Zustand der selbstauferlegten Lobotomie zu begeben.
    Obwohl sie sich die Ereignisse vorhin in der Wüste nur bruchstückhaft in Erinnerung rufen konnte, hatten sie doch Erinnerungen an das geweckt, was vor fünfzehn Jahren hier in diesem Haus geschehen war. Jetzt wusste Skye mit tödlicher Gewissheit, dass die Visionen, die sie all die Jahre heimgesucht hatten, nicht den Schuldgefühlen einer Überlebenden entsprangen, die rein zufällig verschont geblieben war. Sie selbst hatte ihren Vater abgeschlachtet – genauso wie diese Männer heute Abend.
    Aber sie wusste nicht, weshalb.
    Oder wie genau.
    Oder wer ihre Mutter umgebracht hatte.
    Sie hörte das klagende Hupen eines Trucks auf der Interstate. Am besten wäre es, sie würde alles Geld zusammenkratzen, das sie finden konnte, und mit dieser Krankheit nach Norden in die große Stadt fliehen, so weit weg wie möglich von den Menschen, die sie liebte.
    Scheinwerfer erleuchteten die Vorhänge, und das tiefe Brummen von Genes Streifenwagen beendete ihre Überlegungen. Sie hörte, wie der Motor abgestellt wurde, wie die Stoßdämpfer quietschten und die Vordertür zugeschlagen wurde.
    Dann öffnete sich die Haustür und fiel wieder ins Schloss. Die bedächtigen Schritte ihres Bruders erklangen auf der Treppe.
    Gene sah zuerst nach seinem Jungen. Voller Angst öffnete er die Schlafzimmertür. Als er sah, wie sich die Decke mit jedem Atemzug seines Kindes hob und senkte, beruhigte er sich. Trotzdem zog er das Laken zurück, damit er Timmys Gesicht sehen konnte. Der Junge murmelte im Schlaf vor sich hin.
    Vorsichtig verließ er den Raum und ging zu Skyes Zimmer hinüber. Die Tür stand einen Spalt offen. Er zögerte, dann schob er sie auf. Das Licht aus dem Flur kroch über den Teppich und das Bett, und er glaubte, dass sich die Augen seiner Schwester öffneten und schlossen, als der Lichtstrahl auf ihr Gesicht fiel. Aber sie lag still da und schnarchte leise, also zog er sich wieder zurück.
    Im Badezimmer betrachtete er sein mageres, abgehärmtes Gesicht. Die sonnengebräunte Haut wirkte im blassen Licht leicht gelblich. Er packte den Rand des Waschbeckens so fest, als wollte er es aus der Wand reißen, und zwang sich dazu, sich zu beruhigen. Atmete tief durch.
    Zwischen heute Abend und jener Nacht vor vielen Jahren gab es keine Verbindung.
    Andererseits war sie zu Fuß nach Hause gegangen. Genau an der Stelle vorbei, an der sie den alten Dodge gefunden hatten. So viel stand fest.
    Er stieß sich vom Waschbecken ab und zog den Duschvorhang zurück, an dem noch einzelne Wassertropfen hingen. Die Plastikringe klirrten leise, als sie die Stange entlangglitten. Um den Abfluss in den braunen Fliesen hatte sich eine Pfütze gebildet. Mit dem Instinkt eines Polizeibeamten kniete er sich hin und steckte die Finger in die Öffnung. Er förderte eine Strähne von Skyes langem, feuchtem Haar zutage, dunkel vor Nässe. Und da war noch etwas. Etwas Klebriges. Er wandte sich um und wischte die Finger an der Toilettenpapierrolle ab. Ein rostroter Schmierfleck blieb zurück. War das Blut? Plötzlich wollte er es gar nicht so genau wissen.
    Mit einer düsteren Vorahnung richtete er sich auf, riss das Toilettenpapier ab und spülte es zusammen mit den Haaren hinunter. In seinem Schlafzimmer zog er die Stiefel aus und setzte sich im Dunkeln auf das Bett, bis ihm die Erinnerungen, die aus den Schatten krochen, so sehr zusetzten, dass er das Licht einschalten musste. Die hochschwangere Marybeth lächelte ihm von einer eingerahmten
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