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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod
Autoren: Greg Iles
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jeder andere auch: wie eine öde, vierzehnstündige Wochenschau, durch die beschlagenen Fenster eines Laboratoriums betrachtet. Regen, der zu Schneeregen wurde, um sich dann wieder in Regen zurückzuverwandeln, welcher in breiten, grauen Schleiern auf die gepflasterten Höfe der Colleges prasselte, die Bodleian-Bibliothek wie ein Leichentuch verhüllte und den eher trägen Cherwell und die Themse zu reißenden Strömen anschwellen ließ.
    »So ist das Leben«, murmelte David. »Genauso stellen wir uns euch Eierköpfe vor, wenn wir unterwegs sind. Ihr lebt wie die Maden im Speck und schippert mit dem Boot auf eurem blöden Unicampus herum. Wir riskieren jeden Tag unseren Arsch, während ihr Taugenichtse hier herumhockt, und angeblich den Krieg mit euren kleinen grauen Zellen gewinnt.«
    »Du meinst, wir staken auf unserem blöden Unicampus herum.«
    David öffnete ein Auge, sah seinen Bruder an und schnaubte verächtlich. »Meine Güte, du klingst mit jedem Jahr mehr wie ein Brite. Wenn du Mom anrufen würdest, würde sie dich nicht mehr wiedererkennen.«
    Mark betrachtete das Gesicht seines jüngeren Bruders. Es tat gut, ihn wiederzusehen, und zwar nicht nur, weil sich ihm dadurch eine willkommene Entschuldigung bot, dem Labor für einen Nachmittag zu entfliehen. Mark brauchte den Kontakt zu anderen Menschen. An diesem Ort, wo es soviel Kameradschaft gab, war er praktisch ein Ausgestoßener. Seit einiger Zeit mußte er gegen das starke Verlangen ankämpfen, sich im Bus an eine mitleidige Seele zu wenden und einfach drauflos zu reden. Doch wenn er seinen Bruder ansah, einen Captain der Air Force, der immer wieder auf lebensgefährliche Bombenflüge über Deutschland ging, fragte er sich, ob er das Recht hatte, David auch noch mit seinen persönlichen Sorgen zu belasten.
    »Ich glaube, meine Finger sind erfroren«, knurrte Mark, während der Kahn durch das schwarze Wasser glitt. »100 Pfund für einen Außenbordmotor.«
    Er hatte sich schon einmal aufgerafft, mit David über dieses Problem zu sprechen; das war vor drei Wochen gewesen, am Weihnachtstag, aber ein Bombereinsatz in letzter Sekunde hatte ihre Pläne zunichte gemacht, den Tag gemeinsam zu verbringen. Seitdem war schon wieder fast ein ganzer Monat verstrichen. So war es die letzten vier Jahre immer gewesen. Die Zeit floß dahin wie der Fluß bei Hochwasser. Wieder war ein weiteres Weihnachtsfest vorbei und ein weiteres neues Jahr angebrochen: das Jahr 1944. Mark konnte es kaum fassen. Vier Jahre in diesem Hafen aus Sandsteinkreuzgängen und Türmchen, während draußen die Welt mit unerbittlicher Wut in Stücke gerissen wurde.
    »He!« rief David. Er hatte noch immer die Augen geschlossen. »Wie sind denn die Mädels hier so?«
    »Was meinst du damit?«
    Diesmal öffnete David beide Augen und verrenkte sich fast den Hals, um seinen Bruder ansehen zu können. »Was ich damit meine? Haben vier Jahre ohne Susan deinen Lümmel genauso verkümmern lassen wie dein Hirn? Ich spreche von den englischen Ladys. Wir müssen schließlich unserer Rolle entsprechen.«
    »Unserer Rolle?«
    »Überbezahlt, übererotisiert und hier drüben, schon vergessen? Verdammt, ich weiß, daß du Susan liebst. Ich kenne eine Menge Jungs, die sich wahnsinnig nach ihren Frauen sehnen. Aber vier Jahre! Du kannst doch nicht jeden wachen Augenblick eingesperrt in deiner Frankensteinkammer verbringen!«
    »Genau das mache ich«, erwiderte Mark gelassen.
    »Mensch, ich würde dir ja was von meinen Abenteuern erzählen, wenn ich nicht Angst hätte, daß du dann heute nacht nicht schlafen könntest.«
    Mark stieß die Stange in den Grund des Flusses. Es war ein Fehler gewesen, Susan nach Hause zu schicken; doch damals, angesichts einer drohenden deutschen Invasion, hätte das jeder Mann getan, der noch einigermaßen bei Verstand war. Trotzdem hatte Mark es satt, für seine Fehleinschätzung ständig zahlen zu müssen. Er war schon länger auf der falschen Seite des Atlantiks als jeder andere Amerikaner, den er kannte.
    »Zum Teufel damit«, sagte er. Als sie die Flußbiegung vor dem St. Hildas College erreichten, lenkte er den Kahn an eine steile Uferböschung in der Nähe von Christ Church Meadow. Beim Aufprall des Bootes auf dem Strand wurde David förmlich aus dem Kahn katapultiert, doch er landete mit der elastischen Eleganz eines Athleten.
    »Genehmigen wir uns ein Bier!« schlug David vor. »Trinkt ihr Eierköpfe denn gar nichts? Welcher Blödmann hatte überhaupt die Idee?«
    Mark mußte
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