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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod
Autoren: Greg Iles
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die Hand. »Ich weiß, daß wir die Nazis aufhalten müssen, David. Aber wir zerstören einfach soviel.«
    »Aufwachen, Mac! Wir haben 1944! Wir reden hier von dem verfluchten Hitler!«
    »Das ist mir klar. Aber fällt dir nicht auf, wie man Hitler benutzt, um jede alliierte Aktion zu rechtfertigen, jedes alliierte Opfer? Flächenbombardement. Himmelfahrtkommandos. Die Politiker benehmen sich, als wäre Hitler vollkommen ausgewachsen der Stirn des Zeus entsprungen. Hätten die Verantwortlichen vor zehn Jahren ein Gewissen gehabt, dann hätten sie diesen Wahnsinnigen aufhalten können.«
    »Hätte, wäre, wenn«, knurrte David. »Willkommen in der Wirklichkeit. Hitler hat sich das selbst zuzuschreiben. Er bekommt nur, was er verdient.«
    »Ja, das stimmt. Aber müssen wir eine ganze Kultur vernichten, um einen einzigen Mann aufzuhalten? Wollen wir ein ganzes Land ausradieren, um eine Epidemie zu stoppen?«
    David wirkte plötzlich sehr verärgert. »Du meinst die Deutschen? Ich will dir mal was über dieses nette Volk erzählen: Ich hatte einen Kumpel, Chuck Wilson, okay? Seine B17 ist in der Nähe von Würzburg abgestürzt, nach dem zweiten Angriff auf Schweinfurt. Der Pilot kam dabei ums Leben, aber Chuck und zwei andere Jungs haben es geschafft, aus der Maschine rauszukommen. Einer wurde gefangengenommen, und der andere wurde von der Resistance über Frankreich herausgeschmuggelt. Aber Chuck wurde von irgendwelchen deutschen Zivilisten geschnappt.« David kippte einen doppelten Bourbon hinunter und fiel dann plötzlich in brütendes Schweigen.
    »Und?«
    »Sie haben ihn gelyncht.«
    Mark spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. »Sie haben was?«
    »Sie haben ihn am nächsten Baum aufgeknüpft, verdammt!«
    »Ich dachte, die Deutschen würden gefangene Piloten gut behandeln. Jedenfalls an der Westfront.«
    »Die regulären Krauts tun das auch. Aber die SS ist keine reguläre Truppe, und die deutschen Zivilisten hassen unseren Mut.«
    »Woher weißt du das mit der Lynchjustiz?«
    »Der Bursche, der durchgekommen ist, hat alles gesehen. Und willst du auch noch das Schlimmste hören? Während diese Zivilisten Chuck aufgehängt haben, ist eine Kompanie Waffen-SS in einem Lastwagen vorgefahren. Sie saßen da, haben gelacht und geraucht, während diese Mistkerle ihn aufgeknüpft haben. Dann sind sie weggefahren. Dabei muß ich an diesen Farbigen denken, den sie damals auf der Bascombe-Farm gehängt haben. Der Mob behauptete, er habe ein weißes Mädchen vergewaltigt, weißt du noch? Aber es gab keine Beweise, und genausowenig gab es ein Verfahren. Erinnerst du dich noch daran, was Onkel Marty gesagt hat? Der Sheriff und der Deputy hätten danebengestanden und einfach nur zugesehen.«
    David ballte die linke Hand zur Faust und öffnete sie wieder, während er einen weiteren Schluck Bourbon hinunterkippte. »Der Bursche, der gesehen hat, wie sie Chuck aufgehängt haben, sagte, es wären genauso viele Frauen wie Männer dagewesen. Und eine Frau sei sogar hochgesprungen und hätte sich an seine Füße gehängt, während er dort oben gependelt hätte.«
    »Ich verstehe, was du meinst.« Mark lehnte sich zurück und trank einen Schluck Bier. »Hier oben verliert man rasch aus den Augen, wie persönlich ein Krieg sein kann. Wir erleben den Haß nicht.«
    »So ist es, Kumpel. Du solltest mal einen Angriff mit uns fliegen. Nur einmal. Während du dir die Eier abfrierst, versuchst du, daran zu denken, unter deiner Atemmaske Luft zu holen, und du weißt, daß du dir irgend etwas abfrierst, wenn du deine Haut länger als zehn Sekunden entblößt. Und während des ganzes Fluges verfluchst du dich ständig für jeden Sonntagsgottesdienst, den du geschwänzt hast.«
    Mark dachte an das Angebot, das er kürzlich einem schottischen Brigadegeneral gemacht hatte. In einem Wutanfall hatte er damit gedroht, das Labor zu verlassen und sich zum Frontdienst zu melden. »Vielleicht sollte ich ja dem realen Krieg etwas näherrücken«, sagte er im ruhigem Ton. »Was sind meine Überzeugungen schon wert, wenn ich gar nicht weiß, was ein Krieg wirklich ist? Ich könnte mich zu einem Frontlazarett in Italien versetzen lassen ...«
    David knallte die Whiskeyflasche auf den Tisch, streckte die Hand aus und preßte den Arm seines Bruders auf das vernarbte Holz. Ein paar Gäste sahen in ihre Richtung, doch ein Blick von David reichte, um ihre Neugier im Keim zu ersticken. »Wenn du das versuchst, breche ich dir deine verdammten Beine!«
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