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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz
Autoren: Tanith Lee
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sagen, doch kein Wort kam über ihre Lippen.
    Sie verließ den Raum und eilte den Korridor entlang.
    Er war von einem angsteinflößenden Licht erfüllt, rot und sterbend, wie der Sonnenuntergang auf einem untergegangenen Planeten.
    Ich habe bekommen, was ich wollte.
    Sie fühlte sich, als hätte sie einen Toten geliebt.
    Rachaela stand auf den Felsen und betrachtete das Meer. Es brach in dunklem Grün an den Klippen und wurde wieder hinausgesogen.
    Die ständige Wiederholung der Meeresbewegungen wirkte wie das Leben selbst. Die endlosen, fruchtlosen Versuche, die Fehlschläge und Rückfälle. Selbst wenn die See über den Strand hinwegspülte, trat sofort die Ebbe an ihren Platz, und das Wasser wurde erneut vertrieben.
    Ihre Knochen waren in den Wellen. Sie wusste nicht, was sie noch tun konnte. Tiefe Apathie hatte sie befallen. Doch wenn sie Ruth von ihnen befreien wollte, musste sie kämpfen.
    Sie lief am Ufer entlang. Die Hitze des Tages brannte erbarmungslos, und sie musste an den Dachboden denken, mit seinem verschlossenen Fenster. Sowohl Züchtigung als auch Gefangenschaft. Und wie würde man sich im Winter warm halten können? Vielleicht würden sie Ruth erfrieren lassen für das, was sie getan hatte.
    Sie stellte sich Adamus vor, und verbannte das Bild wieder aus ihren Gedanken.
    Rachaela wandte sich um und ging zurück zum Haus. Als sie näher kam, dachte sie, wie seltsam es aussah, so grau und unbewohnt, mit seinen schrägen Mauern und den rot und smaragdgrün glänzenden Fensterreihen.
    Camillo saß auf dem Boden vor Rachaelas Tür.
    » Hier bin ich«, sagte er.
    » Hier bist du.«
    » Kein Pferd«, sagte er. » Ich bin ohne Pferd gekommen.«
    » Ja.«
    » Aber ich habe dir etwas anderes mitgebracht.«
    Rachaela blieb stehen. Camillo blockierte die Tür, er saß wie ein Schneider mit gekreuzten Beinen davor. Unter dem schwarzen Kreuz auf dem Fenster.
    » Das ist sehr nett von dir.«
    » Ja. Der Junge wollte dir nicht helfen, oder doch? Adamus. Du und er, ihr seid gleich. Dunkle Pferde.« Camillo stand auf. » Du hättest es sein sollen, nicht das Kind.«
    » Tatsächlich?«
    » Ich habe einmal so getan, als wäre ich wie Adamus. Ich habe ihren Hals mit einem Messer aufgeschnitten. Aber das Gen hat sich in mir nicht entwickelt.«
    » Ich bin kein Vampir«, sagte Rachaela. » Keiner von euch ist ein Vampir. Nicht einmal Adamus. Es ist nur etwas, das er tut. Eine Krankheit. Und diese Krankheit hat auch Ruth befallen.«
    » Ekelhaft«, sagte Camillo. » Bring sie fort. Sie wird da oben auf dem Dachboden Ärger machen. Der Dachboden war mein. Aber das Schaukelpferd hat sie nicht bekommen.«
    » Ich will sie von hier fortbringen.«
    » Gut. Hier ist der Schlüssel.«
    Er hielt ihr etwas entgegen, das in dem durch das Kreuz zweigeteilten Fensterlicht dumpf glänzte.
    » Der Schlüssel«, wiederholte sie, » der Schlüssel zum Dachboden?«
    » Einer davon. Er wird passen.«
    Rachaela streckte langsam ihre Hand nach dem Schlüssel aus und nahm ihn entgegen.
    » Danke, Camillo.«
    » Bring sie weg«, sagte er.
    » Das werde ich.«
    Camillo lief den Gang hinunter. » Schätze nicht, dass es viel nützen wird.«
    Rachaelas Hand umklammerte den Schlüssel.
    Ganz ruhig. Das alles würde höchster Sorgfalt bedürfen.
    Rachaela betrat das Esszimmer, und niemand außer ihr war zum Dinieren erschienen.
    Sie hatte den ganzen Nachmittag lang keinen Scarabae gesehen. Sie hatten sich in die einzelnen Abteile des Hauses zurückgezogen, vielleicht versteckten sie sich.
    Cheta bediente Rachaela. Es gab Lammkoteletts aus dem Supermarkt, Karotten, Erbsen und neue Kartoffeln.
    Rachaela aß hungrig. Sie würde die Nahrung brauchen.
    Michael war nicht aufgetaucht, und sie hatte Cheta um ein Glas Wein gebeten.
    Nach dem Lamm wurde Aprikosenpudding aufgetragen, wahrscheinlich Reste vom Vortag.
    Cheta servierte ihr den Tee im Wohnzimmer.
    Es war eigenartig, weder Anna noch ihre Stickerei dort vorzufinden. Ihr Tod hatte sich dem Haus noch nicht eingeprägt. Sie war schon zuvor einmal ferngeblieben.
    Rachaela hielt Cheta zurück, als sie das Zimmer verlassen wollte.
    » Hat Ruth etwas zu essen bekommen?«
    » Oh, ja, Miss Rachaela. Carlo hat Miss Ruths Tablett vor einer Stunde nach oben gebracht.«
    Sie würden das Tablett nicht vor dem nächsten Morgen wieder abholen, wenn man dem gefräßigen, eingekerkerten Kind Frühstück brachte.
    Rachaela hoffte, dass Ruth trotz ihres geschwollenen Gesichtes ihr Abendbrot essen konnte. Sie brauchte
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