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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen
Autoren: Masuji Ibuse
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Verbrennungen am ganzen Körper nach
Miyoshi, Shobara, Tojo und anderen Ortschaften der Umgebung ins Lazarett
gebracht. Die Männer der Dorffeuerwehr waren die ersten, die aus Kobatake in
die Ruinen von Hiroshima geschickt wurden, in einem Bus, der mit Holzgas fuhr.
Ihnen folgte früh am Morgen des Tages, an dem der Krieg zu Ende war, eine
Gruppe freiwilliger Helfer vom Jungmännerbund. Sie sollten in den Notlazaretten
in Miyoshi, Tojo und sonstwo nach Verwundeten aus dem Dorf suchen. Die
Mitglieder des Jungmännerbundes, die sich gemeldet hatten, wurden vom Dorfältesten
in Anwesenheit des amtierenden Vorsitzenden des Bundes offiziell verabschiedet.
„Meine Herren“, sagte er, „wir sehen mit tiefer Dankbarkeit, daß Sie sich in
diesen bewegten Kriegstagen mit all Ihren Kräften zur Verfügung stellen. Ich
muß Sie nicht daran erinnern, daß die Verwundeten, die Sie zurückbringen
werden, über und über mit Brandblasen bedeckt sind, und Sie nicht bitten, mit
äußerster Sorgfalt vorzugehen, um ihnen nicht noch mehr Schmerzen zu bereiten.
Es heißt, daß der Feind eine sogenannte neue Waffe bei seinem Angriff auf
Hiroshima eingesetzt hat, die in einem Augenblick Hunderttausende unschuldige
Bewohner der Stadt in eine Hölle unaussprechlicher Qualen gestürzt hat. Ein
Angehöriger des Vaterländischen Freiwilligenkorps, der lebend aus Hiroshima
entkommen ist, hat mir berichtet, daß er in dem Moment, als die neue Waffe die
Stadt auslöschte, ungezählte Hilfeschreie hörte — die Stimmen jener
hunderttausend Seelen — , die scheinbar aus dem Schoß der Erde empordrangen.
Selbst der Kreis Fukuyama, durch den er auf dem Rückweg kam, war eine
ausgebrannte Wüstenei; der Turm und die Sommergalerie des Schlosses von
Fukuyama waren in Flammen aufgegangen. Das Herz verkrampfe sich ihm, sagte er
mir, wenn er sich die Schrecken des Krieges vorstelle... Wie dem auch sei, es
ist jedenfalls Krieg, und Sie als Angehörige einer Freiwilligenabteilung ziehen
aus, um Ihre Kriegskameraden heimzuholen. Ich möchte daher vor allem auch an
Sie appellieren, die Bambusspeere, die Zeichen Ihrer unerschütterlichen Entschlossenheit,
bis zum bitteren Ende zu kämpfen, sorgsam zu bewahren. Ich bedauere den
Umstand, daß ich Sie hier gewissermaßen zwischen Tür und Angel verabschieden
muß und meine Abschiedsworte in der Dunkelheit vor dem Morgengrauen ohne auch
nur den Schimmer eines Lichts an Sie richte, aber in Anbetracht der
gegenwärtigen Lage darf ich auf Ihr Verständnis rechnen.“ Am Schluß seiner Rede
wandte er sich an die etwa achtzig Leute, die auch zur Verabschiedung gekommen
waren. „Und so bitte ich Sie“, rief er aus und hob die Arme, um den Takt zu
schlagen, „mit mir ein dreifaches Hurra auf unsere tapferen Freiwilligen
auszubringen!“ Die Abteilung löste sich in drei Trupps auf, einer marschierte nach Miyoshi, der andere nach Shobara und der
dritte nach Tojo. Schweigend schritten sie hinter den Pferdewagen mit ihrem
Gepäck her. Die Männer, die nach Tojo unterwegs waren, legten in Yuki, auf
halbem Weg zwischen Kobatake und Tojo, eine Frühstückspause ein, wozu sie sich
auf die Veranda eines Bauernhauses setzten, das an der Straße stand. Während
sie aßen, kam über das Radio im Haus die denkwürdige Botschaft Seiner Majestät
des Kaisers. Als die Übertragung zu Ende war, saßen sie eine Weile schweigend
da. Dann sagte der Mann, der das Pferd am Zügel führte: „Die Abschiedsrede vom Ältesten
heut früh war ganz schön lang, was?“ Das führte dann auch, wie nicht anders zu
erwarten, zu einer Diskussion darüber, was man mit den Bambusspeeren tun
sollte, und es wurde einstimmig beschlossen, sie dem Landwirt dazulassen,
dessen Veranda sie, ohne zu fragen, in Beschlag genommen hatten.
    Die Sammelstelle in Tojo war in einem
alten Gebäude, das gerade leer stand. Es gab zwei Oberaufseher, aber keiner
hatte auch nur die geringste Ahnung, wie die Sache anzupacken sei. Die
Verwundeten lagen auf Tatamis; man konnte sie nicht nach dem Aussehen
identifizieren, weil ihre Gesichter völlig verbrannt waren. Einer von ihnen war
kahl wie ein Ei. Er hatte nur noch einen Streifen unversehrter Haut wie ein
Stirnband, offensichtlich von einem Handtuch, um den Kopf. Seine Wangen hingen
herab wie die Brüste einer alten Frau. Zum Glück konnten alle Verwundeten noch
hören. So gingen Leute von einem zum anderen und fragten jeden nach seinem
Namen. Der wurde dann mit Tusche auf die bloße Haut gepinselt, sofern der
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