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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen
Autoren: Karl Olsberg
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Version der Geschichte hörten.
    Doch jetzt war alles anders. Er hatte sich geweigert, das Spiel mitzuspielen. Das wurde ihm nun zum Verhängnis.
    Er blieb ruhig stehen, die Fäuste geballt. Alles in ihm drängte danach, sich auf Pawlow zu stürzen. Doch Evas Komplize würde sich nicht überrumpeln lassen; selbst wenn Lennard nicht durch seine Verletzung behindert gewesen wäre, hätte er keine Chance. Pawlow war durchtrainiert, ein Profi. Lennard wäre tot, noch bevor er ihn erreichte.
    Und wenn? War es nicht besser, erschossen zu werden, als für den Rest seines Lebens die Schmach dieses dümmsten aller seiner Fehler ertragen zu müssen?
    Nein. Er würde nicht den einfachen Weg wählen. Er würde sich der Verantwortung stellen. Und vor allem musste er noch etwas tun: Fabienne die Tarotkarte zurückgeben. Sie hatte ihn gewarnt, versucht, ihn vor seiner Dummheit zu bewahren. Das war ihr nicht gelungen. Aber wenigstens hatte er nicht die Schuld eines zweiten kaltblütigen Mordes auf sich geladen.
    »Jedenfalls vielen Dank für alles!«, sagte Eva. »Ich hatte erwartet, du würdest versuchen, die Situation auszunutzen und mit mir zu schlafen, aber du warst ein echter Gentleman!«
    Lennard versteifte sich. Er spürte, wie auch Pawlow sich anspannte. Er begriff, dass Eva ihn provozieren wollte. Wenn er sie jetzt attackierte, konnte Pawlow schießen, ohne dass es auch nur den geringsten Zweifel an Notwehr geben würde. Also blieb er ruhig stehen.
    Eva zuckte mit den Schultern und verließ den Raum.
    »Tu mir den Gefallen und versuche, mich anzugreifen«, raunte ihm Pawlow zu.
    »Sie können einem leidtun«, sagte Lennard. »Glauben Sie |389| etwa, Eva liebt Sie? Sie liebt nur sich selbst! Sie spielt mit Ihnen, genauso wie sie mit ihrem Mann und mit mir gespielt hat. Sie sind nur Mittel zum Zweck, damit sie an das Vermögen ihres Mannes kommt. Sobald sie Ihrer überdrüssig wird, wird sie Sie ebenfalls elegant entsorgen.«
    »Halt’s Maul«, sagte Pawlow. Doch Lennard glaubte den Schatten eines Zweifels über sein Gesicht gleiten zu sehen. Vielleicht, wenn er diesen Zweifel vergrößern konnte …
    Es klingelte an der Haustür. »Er ist dort vorn, im Arbeitszimmer meines Mannes«, hörte er Eva sagen. »Ein Mitarbeiter hält ihn in Schach.«
    Die beiden Streifenpolizisten blieben eine Sekunde in der Tür stehen, um die Szene aufzunehmen. Sie zogen ihre Pistolen. »Waffe runter!«, brüllte einer der beiden.
    Pawlow ignorierte die Anweisung. »Ich bin der Sicherheitsberater von Heiner Benz«, sagte er. »Der Kerl hier hat ihn erschossen!«
    »Der Sicherheitsberater, soso«, sagte der Polizist mit sarkastischem Unterton. Doch er legte Lennard ohne weitere Diskussion Handschellen an, informierte ihn darüber, dass er vorläufig festgenommen sei, und führte ihn ab.

|390| 75.
    Corinna Faller saß jetzt schon fast eine Stunde in ihrem Auto und beobachtete die Einfahrt zu Benz’ Villa. Im Radio lief ein Bericht über die internationalen Reaktionen auf die Brandanschläge der gestrigen Nacht. Mehrfach wurde auf die Reichskristallnacht im November 1938 Bezug genommen, bei der sämtliche Synagogen in Deutschland zerstört und über 400 Menschen ermordet worden waren. Der Kommentator beeilte sich zu versichern, dass man das nicht vergleichen könne – immerhin sei dieses Massenpogrom eine systematische, organisierte Aktion gewesen, gegen eine spezielle Bevölkerungsgruppe gerichtet, während die Ausschreitungen diesmal spontan, unkoordiniert und relativ ziellos gewesen waren – unter den 23 Opfern waren 18 Ausländer und 5 Deutsche ohne Migrationshintergrund gewesen. Dennoch machte er sich große Sorgen um das Ansehen Deutschlands in der Welt. Die Tatsache, dass der junge Mann, der mit seinen unbedachten Worten eine Welle der Gewalt ausgelöst hatte, selbst ermordet worden war, lasse eine weitere Eskalation befürchten.
    Faller zuckte zusammen. Sie drehte das Radio lauter, doch der Beitrag war bereits beendet, und es lief klassische Musik. Hatte sie sich gerade verhört, oder war Gerd Wesel tatsächlich ermordet worden? Ihr kam der schreckliche Gedanke, dass sein Tod irgendwie mit ihrem Besuch zu tun haben könnte. Aber das war absurd – offenbar begann sie, paranoid zu werden.
    Die Tatsache, dass sie hier vor Heiner Benz’ Haus parkte und ihm auflauerte, schien ihr plötzlich bedenklich. Hatte der schwarze Regen nicht nur ihren Körper, sondern auch |391| ihren Verstand vergiftet? Fing sie an, Gespenstern nachzujagen?
    Aber
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