Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur
Autoren: Susanne Wahl
Vom Netzwerk:
isolierte. Ich griff nach der Messingkanne mit dem abgestandenen Wasser und begann die Topfreihen zu kontrollieren. Der elegant geschwungene Griff schmiegte sich in meine Hand. Sie war so filigran gearbeitet, dass man mit ihrer feinen Spitze einzelne Tropfen dosieren konnte. Mutter hatte sie mir, zusammen mit einem Paar lederner Gartenhandschuhe, letzte Weihnachten geschenkt.
    In meiner Lehrzeit, wie ich es nannte, hatte ich erschreckend viele Pflanzen verloren, weil ich sie zu nass hielt. Und natürlich hatte ich gerade meine Favoriten in fehlgeleiteter Fürsorge zu Tode gegossen. Der so genannte grüne Daumen ist im Wesentlichen der richtige Einsatz des Daumens beim Befühlen der Blumenerde.
    Die Sonne ging auf, ohne dass ich von ihr Notiz nahm. Erst das scharrende Geräusch, mit dem die Glastür schnell geöffnet und wieder geschlossen wurde, schreckte mich aus meiner Tätigkeit.
    »Hier also steckst du! Ich muss sagen: Es ist wirklich beeindruckend.« Tante Hilde in ihrer altmodisch-adretten Bluse und einem Paar Hosen, von dem es immer so schön heißt »nichts kneift, nichts zwickt«, schaute sich bewundernd um. »Du hättest Gärtnerin werden sollen. Das wirkt richtig professionell.«
    Ich war es nicht gewöhnt, hier jemanden bei mir zu haben, und irgendwie irritierte mich dieser Einbruch in meine ureigene Privatsphäre. Aber um nicht unfreundlich zu erscheinen, stellte ich ihr meine schönsten Exemplare vor. Sie war fassungslos: »Und die hast du wirklich alle selbst gezüchtet? Mit künstlicher Bestäubung und so?«
    Ich musste lachen. »Das ist nicht so schwierig, wie du denkst. Bei dieser Art ist es sogar ganz einfach, deshalb habe ich so viele davon.«
    Tante Hilde schnupperte kritisch: »Es riecht ein wenig muffig. Ich wette, Margarethe hat dieses Gewächshaus nicht gemocht. Seltsam, dass sie es dir erlaubt hat.«
    Während wir frühstückten, fragte sie mich ungeniert nach meiner Arbeit aus. Ich erzählte ihr, dass ich seit Beendigung meiner Lehrzeit in derselben Bank arbeitete. In der Vermögensberatung durfte ich mich inzwischen als rechte Hand des Abteilungsleiters betrachten.
    »Und Männergeschichten? Hast du einen Freund?«, bohrte Tante Hilde gnadenlos nach.
    Ich schüttelte den Kopf. Seit der Geschichte mit Dieter hatte kein Mann an mir echtes Interesse bekundet.
    Dieter war gerade in die Hypothekenabteilung übernommen worden, als ich dort mein Praktikum begann, und es war nur natürlich, dass wir zwei Neulinge uns zusammenschlossen. Er war ein freundlicher, wenn auch etwas schüchterner junger Mann, der nach einem Unfall leicht hinkte und bei Nervosität in seinen heimischen schwäbischen Dialekt verfiel. Eine Sonnenblume, die bodenständig und verlässlich Wärme verbreitete. Ich mochte ihn. Er jagte mir keine Angst ein wie die älteren Männer, die sich einen Spaß daraus machten, mich zum Erröten zu bringen. Dieter zwinkerte mir immer aufmunternd zu, wenn ich an seinem Schreibtisch vorbeikam, und hatte sich angewöhnt, mit mir zusammen in die Kantine zu gehen. Dort konnte ich ihn während unserer gemeinsamen Mittagspause die Dinge fragen, bei denen ich die schrägen Witze der anderen fürchtete.
    Als er eines Tages zwei Kinokarten aus seiner Brusttasche zog, hätte ich ihm zuliebe jeden Film angesehen. Und so saßen wir einträchtig vor einem cineastischen Produkt, von dem ich nicht einmal die Hälfte verstand, weil es in französischer Originalfassung lief. Die Dunkelheit und die räumliche Nähe ließen es normal erscheinen, dass er meine Hand ergriff und seine Finger mit meinen verschränkte. Sie waren feucht, aber das störte mich nicht im Geringsten. Die einfache Berührung verzauberte mich, weckte geradezu die Gier nach mehr.
    Es war ziemlich unbequem in seinem Opel Kadett, aber es war mir egal. Ebenso egal wie die Tatsache, dass die Angelegenheit sich für mich nicht besonders anfühlte. Es tat etwas weh, und ich war erleichtert, dass es nicht lange dauerte. Das Schönste war, dass er mich danach im Arm hielt.
    Mutter schlief bereits, als ich vorsichtig die Treppe hinaufschlich, aber ich traute mich nicht, mir ein Bad einzulassen, wie ich es liebend gerne getan hätte. Also griff ich nach einem Waschlappen und musterte mich etwas besorgt im Spiegel. Sah man mir etwas an? Meine weiße Bluse war zerknittert, der dicke Haarknoten hatte sich teilweise gelöst, was mir ein leicht verruchtes Aussehen verlieh. Meine widerspenstige schwarze Haarfülle war früher in adretten Zöpfen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher