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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur
Autoren: Susanne Wahl
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wie ich es mir erträumte. Ab sofort bestimmten Mutter und der Filialleiter meine tägliche Routine, in der ich nach außen resigniert hatte.
    Wenigstens ermöglichte mir der Teil meines Gehalts, den ich behalten durfte, die Anschaffung und den Unterhalt eines Gewächshauses. Hinter dem breiten Fliederbusch fiel es nicht weiter auf. Dort richtete ich mir mein eigenes Reich ein. Seit einigen Jahren schon sammelte ich Fuchsien und Orchideen, die mich beide wegen ihrer unglaublichen Vielfalt faszinierten. Ich besaß sogar ein seltenes Exemplar der Fuchsia thymifolia mit winzigen weißen Blüten, das ich selbst aus Samen des botanischen Gartens gezogen hatte. Unsere Nachbarn waren allerdings mehr an Ablegern der Prachtformen interessiert, die zum Teil handtellergroße, gefüllte Blüten entwickelten.
    Meine Orchideen halfen mir über die Wintermonate, wenn meine übrigen Schützlinge Winterschlaf hielten. Für sie heizte ich einen abgetrennten Teil des Gewächshauses auf Temperaturen, die Mutter einmal als »unanständig« bezeichnet hatte. Die feuchte Wärme war ihr so zuwider, dass sie strikt ablehnte, mein Reich zu betreten.
    Der ursprüngliche Rasen des restlichen Teils unseres winzigen Reihenhausgärtchens hatte einer Iris-Sammlung, den Lilien und den Dahlien weichen müssen. Ihre auffällige Farbenpracht leuchtete mir immer schon von weitem entgegen und erfüllte mich immer wieder mit Stolz auf mein Werk.
    Schon wenn ich im Frühjahr den harten Lehmboden lockerte, vorsichtig Unkräuter ausstach und die Pflanzlöcher vorbereitete, sah ich das fertige Bild vor meinem inneren Auge. Für andere mochten es nichtssagende braune Knollen sein – für mich waren es die feuerroten Blütenbälle des Roten Sterns , die leuchtend orangefarbenen der Glorie von Norwijk oder die fast schwarzen der Arabischen Nächte .
    Die letzten Jahre war ich allerdings nur noch selten dazu gekommen, meinen Garten hingebungsvoll zu pflegen. Mutters Krankheit, die ich anfangs für einen Trick gehalten hatte, noch mehr meiner Zeit für sich zu beanspruchen, hatte immer stärker unser tägliches Leben bestimmt. Ob im Krankenhaus oder zu Hause, sie ließ mich kaum von ihrer Seite. Auch wenn sie zu schlafen schien, öffnete sie sofort die Augen, sobald ich Anstalten machte, mich wegzuschleichen, und fragte anklagend: »Wo willst du denn hin?«
    Wusste der Pfarrer, wovon er sprach, wenn er sagte, das Wohlergehen ihrer Tochter sei der rote Faden gewesen, der sich durch ihr Leben gezogen hatte? Ich schluckte, um den Geschmack der Bitterkeit loszuwerden. Dabei fiel mein Blick auf eine rundliche alte Frau in Schwarz, die unterdrückt keuchend angehastet kam. Wollte sie zu uns?
    Nur meine Freundin Monika hatte ich wider besseres Wissen gefragt, ob sie kommen würde, und ihr betretenes Schweigen am anderen Ende der Telefonleitung hatte mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass sie immer noch unter ihrer phobieähnlichen Abneigung gegen Beerdigungen litt. Also hatte ich mich beeilt, ihr zu versichern, dass es absolut unnötig wäre, dass sie extra anreiste. Ich käme gut zurecht. Ihr erleichtertes Aufatmen war Antwort genug.
    Monika Böhm, wegen ihres jungenhaften Auftretens »Mike« genannt, war für zwei Schuljahre meine Banknachbarin gewesen und wurde während dieser Zeit zu der einzigen Freundin, die ich je hatte. Sie war die Einzige, die ich jemals bat, nach Hause einladen zu dürfen, und sie konnte wunderbar mit Mutter umgehen. Wenn Mike mich zu etwas mitnehmen wollte, wurde es mir erlaubt. Ich durfte sie sogar besuchen und erlebte staunend und ungläubig eine Familie, in der es in meinen Augen chaotisch zuging.
    Als Mikes Vater überraschend starb und sie wegziehen mussten, war ich todunglücklich. Die erste Zeit schafften wir es, in Kontakt zu bleiben, aber Monika war keine große Briefschreiberin. Irgendwann kam dann ein Brief zurück, Empfänger unbekannt verzogen , und die Verbindung brach ganz ab.
    Dann aber, vor einem halben Jahr, hatte sich Monika überraschend wieder gemeldet. Eines Abends klingelte das Telefon, und eine muntere Stimme fragte: »Hallo, Reni, kannst du dich noch an mich erinnern?«
    Natürlich konnte ich! Von da an telefonierten wir regelmäßig miteinander. Einmal hatte ich sie sogar in ihrem kleinen Ort im Badischen besucht, etwas nervös, weil ich jeden Moment damit rechnete, zurück ins Krankenhaus gerufen zu werden.
    »Davon, dass du dich verrückt machst, geht es ihr weder schlechter noch besser – also entspann
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