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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
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Oberschenkeln entlang und
zogen kaum merklich die Strümpfe ein wenig in die Höhe. Dunkel
glänzten ihre Beine, noch länger, noch schlanker, noch verführerischer.
Marion drehte sich um. Feine Nähte verliefen über
die Rückseite ihrer Beine, machten die Beine… ja, was machten
sie mit ihnen? Wie war der erotische Zauber zu erklären, den
einfache Nähte in den Augen des Beschauers entfachen konnten?
War es der Reiz der Verruchtheit? Die Anziehungskraft der
Ästhetik? War es das Wunder vollendeter Weiblichkeit oder das
Erregende gezielt eingesetzter Provokation? Oder alles zusammen?
»Sie sehen hinreißend aus«, sagte die Verkäuferin. Marion
lächelte ihrem Spiegelbild zu. Torremolinos, ich komme!
    Sie waren pünktlich gelandet. Flirrende Hitze lag über dem
staubigen Rollfeld des Flughafens von Malsaqa. Marion konnte
braunrote Berge zu ihrer Rechten erkennen, hohes Gras, das sich
sanft im Wind bewegte. Ihre gespannten Erwartungen erhielten
allerdings einen Dämpfer, als sie im Beach Club Hotel in Torremolinos
ankamen. Das Foyer glich ein bißchen einer Flugabfertigungshalle,
riesengroß und voller Menschen, Menschen, Menschen.
Nicht ganz so schön, nicht ganz so reich, nicht ganz so
exotisch, wie Marion sich das vorgestellt hatte. Genauer gesagt:
Im wesentlichen waren es deutsche Sprachfetzen, die an ihr Ohr
schlugen. Und vorwiegend Touristen, die sich kaum von Marions
Eltern unterschieden. Eine ganze Reihe Hamburger. Und vorläufig
kein geeignetes männliches Objekt in Sicht. Andererseits war
es durchaus ein Hotel nach Marions Geschmack. Ein riesengroßes, braungelbes Gebäude, halbrund gebaut, mit braunen Ledersesseln
auf allen Gängen, hübschen Zimmern mit Baikonen
davor, von denen aus man aufs Meer schauen konnte. Im Hotel
gab es einen Nachtclub, eine Bar, einen Frisiersalon, Boutiquen
und einen Shop für alles und nichts. Über eine Liegewiese
gelangte man an die schmale Uferstraße, und hatte man die
überquert, stand man auch schon am Strand. Schmale hölzerne
Stege führten zu den Liegeplätzen, die sich in Reih und Glied am
Wasser entlangzogen, beschattet – wenn man es so wollte – von
kleinen Sonnenschirmen mit Bastdächern. Auf blauen Wellen
und unter blauem Himmel kreuzten kleine weiße Schiffe. Entlang
der »Café-Meile« am Ufer herrschte das meiste Leben. Hier
drängten sich die Touristen, belagerten die Cafés und Restaurants,
saßen oder lagen in der Sonne, ließen ihre Kofferradios
spielen, stürmten die Boutiquen oder bestaunten die Warentische
der Straßenhändler, die Schmuck, Seidentücher und T-Shirts mit
Torremolinos-Aufdruck feilhielten. Die Luft roch nach Sonnenöl,
Spaghetti, Teer und Zwiebeln. Marion registrierte dankbar,
daß direkt am Ufer offenbar immer ein leichter Wind ging, denn
anders hätte sich die Hitze kaum ertragen lassen. Sie kaufte sich
eine mondäne, straßbesetzte Sonnenbrille, und als sie zum
Abendessen ins Hotel zurückkehrte, schwirrte ihr schon der
Kopf von den vielen neuen Eindrücken. Frau Rönsch, Marions
Mutter, hatte sich gleich nach der Ankunft auf einen Liegestuhl
in die Sonne gelegt, und als sie nach drei Stunden aus süßem
Schlummer erwacht war, hatte sie ein krebsrotes Gesicht und
tränende Augen. Jammernd und klagend begab sie sich in ihr
Zimmer, wo ihr Mann kühle Umschläge auf ihre Stirn pressen
und tröstend ihre Hand halten mußte. So leid sie Marion tat, die
Sache hatte ein Gutes: Ihre Eltern waren für den Abend außer
Gefecht gesetzt. Vielleicht bedeutete das bereits die Gelegenheit,
die Augen ein wenig schweifen zu lassen. Es war die Zeit, zu der
die Hotelgäste vom Strand zurückkamen, um zu duschen und
sich für den Abend umzuziehen. Marion bezog einen strategisch
günstigen Platz im Foyer, schlug die Beine übereinander und betrachtete ziemlich unverblümt die Ankommenden. Sie entdeckte
Christian Wagner, und er entdeckte sie, und als er sie kurz
darauf ansprach, überlegte sie einen kurzen Moment lang, ob sie
womöglich ein wenig zu offensichtlich Umschau gehalten hatte.
»Sie sehen ein bißchen verloren aus«, sagte er zu, ihr. »Wenn Sie
Lust hätten, würde ich Sie gerne zum Abendessen einladen.«
    »Oh… das wäre nett. Ich bin tatsächlich im Augenblick ohne
Begleitung.«
    »Darf ich mich vorstellen? Christian Wagner aus Hamburg.
Wagner-Immobilien, falls Ihnen das etwas sagt.«
    Marion erinnerte sich tatsächlich dunkel, davon gehört zu haben.
Nicht schlecht, dachte
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