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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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den Gästen nach ihrem Geliebten und bringt die Männer dazu, sich nach ihr umzudrehen. Sie versteckt das Besteck. Und manchmal macht sie die Kerzen aus. Sie pustet sie aus, sodass man ihren Atem verspürt, und dann hört man sie fragen: Wo bist du, mein Geliebter?«
    »Ganz schön dunkel hier unten am Wasser.« Arvidsson sah zum Herrensitz hinauf, der auf dem höchsten Punkt des Hügels lag und den Widerschein der Stadt auf sich zog. Hier unten fiel es nicht schwer, sich Wesen aus einer anderen Zeit vorzustellen, in der das Gut Landarbeiter, Weberinnen und Milchfrauen, Müller und Arbeiter im Ziegelsteinwerk beherbergt hatte.
    Svenne pfiff vor sich hin, nicht sonderlich schön, nicht sonderlich sauber. Sein Ehrgeiz war es offenkundig, mit den Tönen eine schaurige Stimmung zu erzeugen. Wenn Arvidsson sich getraut hätte, dann hätte er ihn gebeten, stillzuhalten. Es kann manchmal eine echte Belastung sein, das absolute Gehör zu besitzen.
     
    Gegen ein Uhr nachts kam Pernilla in einem gestreiften Herrenpyjama angeschlichen und rüttelte ihn an der Schulter. Es dauerte eine ganze Weile, bis Arvidsson aus seinem Rausch aufgewacht war.
    »Bist du wach?«, fragte sie.
    Und dann redeten sie stundenlang. Über Helen, die er noch nicht einmal in Gedanken Mutter nennen konnte. Über die Zeit, die sie getrennt gewesen waren, und über die Zukunft.
    »Warum wollten sie nicht, dass ich sie kennenlerne?« Er versuchte Pernillas Gesichtsausdruck in der Dunkelheit zu erhaschen, während sie antwortete.
    »Sie wurde von Dämonen heimgesucht. Ich erinnere mich noch an die letzte Zeit, ehe sie kamen, um uns zu holen, da hat Mama uns versteckt. Sie hat die Türen verschlossen und niemanden reingelassen. Ich durfte nicht rausgehen und spielen. Es war dunkel. Wir konnten das Licht nicht anmachen, und ich hatte Hunger. Mama hat behauptet, jemand hätte das Essen vergiftet. Wir mussten still sein, damit niemand hört, dass wir zu Hause sind. Sie hielt mir den Mund zu, dass ich fast erstickt wäre.«
    Per versuchte, sich in Gedanken so weit zurückzuarbeiten, wie er nur konnte. »Ich erinnere mich an gar nichts. Es kommen einfach keine Bilder. Wo war denn unser Vater? Wir hatten doch wohl einen Vater?«
    Pernilla schloss einen Moment lang die Augen. Wog ihre Worte ab. »Vielleicht ist es am besten, wenn wir darüber gar nicht reden. Angeblich hat Helen mit ziemlich vielen Typen rumgemacht.«
    »Vielleicht hatte sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann?« Der Gedanke, dass sie vielleicht unterschiedliche Väter hatten, war ihm noch nicht gekommen, und er wollte ihn auch nicht ohne weiteres hinnehmen.
    »Wer weiß«, antwortete Pernilla ausweichend. »Ich habe sie besucht, seit ich achtzehn war. Erst da habe ich herausgekriegt, wo sie war. Das war ziemlich schwer.« Pernilla setzte sich ans Fußende von Pers Bett und legte den Kopf auf die Knie.
    »Was hat sie eigentlich beruflich gemacht?«
    »Mama war Jazzsängerin. Ich glaube nicht, dass sie je eine Platte aufgenommen hat, aber sie hat in einer Band gesungen, die Blue Moon hieß. Sie spielten oft in einem Tanzlokal hier in Örebro, dem Centrum. Manchmal traten sie bei Veranstaltungen in der Technischen Hochschule auf, meistens aber im Birdland Club. Das Musikleben damals spielte sich auf ideeller Basis ab, in der Branche gab es kein Geld. Die Musiker hatten ganz normale Berufe und spielten nach der Arbeit.«
    »Kannst du dich erinnern, was sie gesungen hat?«
    »Sie hat uns niemals irgendwelche Kinderlieder vorgesungen, dafür aber Jazz. ›Can’t help lovin’ dat man‹. ›A tisket, a tasket‹. ›How high the moon‹. Ich kann mich nicht an alle erinnern. Mit etwas rauchiger Stimme, traurig, aber sehr schön, fand ich damals.«
    »Ich höre fast nur Jazz«, sagte er gedankenverloren.
    »Ich habe ein paar Sachen für dich aufgehoben, die Mama gehört haben. In erster Linie Fotos und ein paar alte Schellackplatten. Die Platten kannst du gern alle haben. Ich höre nicht viel Musik, ich hab es am liebsten still um mich herum. Nicht einmal einen Fernseher habe ich. Svenne hat unten bei sich einen, aber ich sehe nie fern. Ich finde, man sollte sich nicht mit mehr elektromagnetischer Strahlung umgeben als unbedingt notwendig.«
    »Wie nett von dir, dass ich die Platten haben kann«, sagte er und merkte zugleich, dass er nicht sonderlich viel Lust hatte, in Pernillas Leben und Erinnerungen herumzuwühlen. Wenn sie sich mitteilen wollte, dann war er ihr dankbar. Andernfalls würde
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