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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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Bootshauses, wo sie die Sommerreifen aufbewahrten. Sie atmete durch den Ärmel ihrer Jacke. Die Hitze des Feuers brannte auf der Haut im Gesicht. Der Hals schmerzte bis in die Lungen hinein. Sie erlitt einen heftigen Hustenanfall und richtete sich etwas auf, um Luft zu bekommen. Noch zwölf Minuten, bis die Kollegen da sein konnten. Vielleicht noch länger. Eine unendliche Zeitspanne.
    Sie musste aus der Todesfalle des Bootshauses entkommen. Die Hitze war unerträglich geworden. Ein verwegener Gedanke nahm in ihrem Kopf Form an. Sie kroch auf die unterste Stufe an der Wasserrinne, machte ihre Haare und ihre Kleider in dem eiskalten Wasser nass und schlängelte sich dann zur Tür, wo links vom Türpfosten eine Schneeschaufel stand. Die Ecke des Bootshauses, die zum Garten zeigte, war an der unteren Kante morsch. Vielleicht könnte sie sich mithilfe der Schaufel durch die Wand schlagen. Die Gefahr, dass alles über ihr zusammenbrechen würde, war natürlich groß, aber sie hatte keine andere Wahl.
    Die Kleider klebten am Körper. Maria legte sich auf den Rücken und ließ das Schaufelblatt an die Wand krachen, Schlag für Schlag an den Punkt, der am schwächsten zu sein schien. Große Stücke Glut fielen ihr auf den Kopf und die Schultern. Sie versuchte, sie wegzuwischen. Der Rauch biss in den Augen. Sie musste sie schließen. Es war schwer zu treffen, wenn sie nichts sehen konnte. Die Tränen liefen. Maria fuhr sich mit der Hand durch das Haar, und große Büschel verbrannter Haare folgten. Sie stand auf und holte kräftig mit der Schaufel aus, legte all ihre Kraft in den Schlag. Es knackte über ihrem Kopf, dann kam ein großer Krach. Sie sah den Balken fallen, konnte aber das Bein nicht mehr wegziehen. Sie schlug mit dem Kinn auf dem Beton auf. Versuchte das Bein zu bewegen, und stellte fest, dass sie eingeklemmt war. Vor Schmerz wurde ihr schwarz vor Augen. Sie versuchte den Kopf zu heben, damit ihre Haare nicht anfangen würden zu brennen.
    Da war jemand in der Nähe. Sie bemerkte eine Bewegung. Eine Stimme. Die Last auf dem Bein wurde etwas leichter, der Schmerz war furchtbar. Ein starker Arm zog sie durch die Glut hinaus in das Weiße. Jemand rollte ihren schmerzenden Kopf durch eiskalten Schnee, rieb Schnee in ihr Haar. Pers Gesicht war im Feuerschein zu sehen. Er beugte sich vor und half ihr, sich auf eine Decke zu rollen.
    »Lebst du?«
    Sie krächzte: »Ich glaube ja.«
    »Der Krankenwagen ist gleich hier.«
    »Du musst dich vor Lena in acht nehmen.« Maria hob den Kopf, um sich umzusehen. Der Schmerz ließ sie laut schreien.
    »Lena Ohlsson? Warum denn? Es war Pyret, meine Schwester Pernilla, die den Brand gelegt hat.«
    »Es war Lena! Sie trägt eine Uniform und ist bewaffnet. Ihr Van steht an der Auffahrt. Hörst du, was ich sage?«
    »Lena ist in Kronviken, aber Pernilla saß bis eben in ihrem Auto auf der Rückseite des Hauses und schlief. In Polizeiuniform. Wir haben sie mittlerweile entwaffnet. Hast du gedacht, sie sei Lena?«
     
    Pernilla Gunnarsson saß auf der Pritsche im Gefängnis und starrte mit leerem Blick auf die verschlossene Tür. Sie hatten sie gefragt, warum sie das alles gemacht hatte. Was sie dazu gebracht hatte, ihren eigenen Vater zu ermorden. Warum? Als gäbe es eine fertige Antwort, die bei Bedarf geliefert werden konnte, wie bei einem Vokabeltest in der Schule.
    Wenn sie nicht die Müdigkeit nach dem wunderbaren Brand im Bootshaus überwältigt hätte, dann wäre sie nicht in ihrem Auto eingeschlafen. Die Rußflocken waren wie große schwarze Schmetterlinge über ihrem Kopf gesegelt und auf dem weißen Schnee gelandet, eine wunderschöne Wiese voller flatternder Trauermäntel.
    Als sie aufwachte, trug sie Handschellen. Die Antwort auf die Frage, die sie gestellt hatten, hätte den Platz einer ganzen Bibliothek gebraucht, um nicht zu oberflächlich zu werden. Vielleicht lag sie auch jenseits aller Worte. Wie fasst man einen lebenslangen Betrug zusammen? Lebenslanges Verstoßensein? Frank Leander, der Kindern in aller Welt geholfen hatte, hatte seine eigene Tochter nicht einmal einer Geburtstagskarte für wert befunden. Von seinem hohen Podest aus hatte er Vorträge gehalten und Lobpreisungen für die Beschreibungen einer Realität erhalten, die er niemals zu teilen gewagt hatte. Eine Wirklichkeit, die niemals seinen weißen Arztkittel hatte beschmutzen oder seinen Weg zum Parnass der Berühmtheit hatte behindern dürfen. Warum?, hatten sie gefragt. Weil ein Vater sein Kind mehr als
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