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Schwarze Schilde

Schwarze Schilde

Titel: Schwarze Schilde
Autoren: John Maddox Roberts
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der Geistersprecher hatte ihm geholfen, seinen Einfluss geltend zu machen. Die Amsi verehrten ihn als den Verheißenen, und die Matwas hielten ihn für einen fähigen Verrückten, wie es viele ihrer legendären Helden gewesen waren. Es war allgemein bekannt, dass König Hael ein enges und einzigartiges Verhältnis zu den Geistern des Landes besaß. Er vermochte ein wildes Cabo zu besteigen, das sich sofort wie eines der am besten ausgebildeten zahmen Tiere benahm.
    Vor der Stadt, unweit der Karawanenzelte, führte eine Truppe von Haels Kavallerie ihre vielfältigen Übungen aus. In rasendem Galopp schossen sie Pfeile auf mannshohe Ziele aus einer Entfernung ab, die Hael noch vor wenigen Jahren für zu groß gehalten hätte. Die Bögen waren kurz und bestanden aus mehreren Schichten Holz, Sehnen und Horn, die durch einen starken Klebstoff zusammengehalten wurden. Hael hatte die Waffen nicht selbst entworfen, sondern seinen Bogenmachern aufgetragen, den schlichten Bogen, der in den Bergen, wo es kein geeignetes Holz gab, üblicherweise gebraucht wurde, zu verbessern und umzuarbeiten. Jetzt hießen die Waffen allgemein nur noch ›König Haels Bögen‹. Verglichen mit diesen jungen Männern, die noch Kinder gewesen waren, als der neue König und die neuen Waffen das Leben der Steppenvölker auf den Kopf stellten, war Hael ein mittelmäßiger Schütze.
    Der König sah sich um, ob auch die anderen Männer die Darbietung zur Kenntnis nahmen. Die Händler aus dem Westen beobachteten das Schauspiel voller Interesse. Hael war sicher, dass sich etliche Spione unter ihnen befanden. Das war ihm nur recht. Er wollte, dass die Herrscher aus dem Westen erfuhren, wie mächtig die Steppenbewohner unter seiner Führung geworden waren. Diese Spione würden hervorragende Augenzeugenberichte abliefern.
    Unweit des Übungsgeländes war der Jahrmarkt in vollem Gange. Die bunten Zelte der Händler waren mit begehrten Waren und Metallen angefüllt, die gegen landesübliche Erzeugnisse eingetauscht wurden. Matwas, Amsi und Byalla schleppten Felle, Federn, seltene Pflanzen und Arzneikräuter herbei. Alljährlich sandte Hael kleine Expeditionen aus, die Hügel und Berge durchforschten, um nach neuen Handelsgütern Ausschau zu halten. Am sehnlichsten wünschte er, sie würden auf Metallvorkommen stoßen, um die Abhängigkeit seines Volkes von den ausländischen Händlern zu verringern. Bisher war es ihnen jedoch nicht gelungen.
    Der König und seine Männer ritten in die Stadt, wo sie von den Bewohnern und Besuchern mit lauten Jubelrufen begrüßt wurden. Das ehemals armselige Dorf der verachteten und ausgebeuteten Ackerbauern hatte sich zu einer farbenfrohen und wohlhabenden Stadt entwickelt. Die meisten Byalla hatten sich schnell an neue Beschäftigungen wie Wirt, Ladenbesitzer oder Zwischenhändler gewöhnt. Von den Amsi wurden sie nicht länger wie Sklaven behandelt, und ihre Ergebenheit gegenüber Hael kannte keine Grenzen.
    Das Haus des Königs war ein ansehnliches, aus Lehm und Reet errichtetes Gebäude. Es besaß Fenster und Oberlichter aus buntem Glas, dessen Beschaffung äußerst kostspielig gewesen war. Diese Besonderheit schien Hael gerechtfertigt, wenn er daran dachte, welchen Eindruck sie auf fremde Häuptlinge machte. Ein west- oder südlicher Herrscher hätte seinen Wohnsitz als ausgesprochen bescheiden bezeichnet, auch wenn es sich nur um eine königliche Jagdhütte gehandelt hätte, aber Hael regierte ein naturverbundenes Volk, das sich mehr durch die Anzahl und die Geschicklichkeit seiner Anhänger und seine riesigen Herden beeindrucken ließ.
    Er saß ab und betrat die geräumige Veranda, die das Haus umgab. Boten und Abgesandte anderer Stämme verneigten sich vor ihm, und höflich begrüßte er jeden einzelnen. Ein Mann, der die Livree der nevanischen Boten trug, trat vor und reichte dem König einen Behälter mit Schriftrollen.
    »Briefe Seiner Majestät und Eurer anderen Freunde aus Neva, König Hael«, sagte er. »Die königlichen Geschenke werden später mit der Karawane eintreffen.«
    »Ich danke deinem Herrscher«, antwortete Hael. »Ich denke, er wird sich über die Gaben, die ich für ihn auswählte, freuen. Kaufmann Shong wird sie – wie immer – mitnehmen.«
    Der Mann entfernte sich unter zahlreichen Verneigungen, und der König reichte einem Byalladiener den Behälter, da er sich später in aller Ruhe mit dem Inhalt zu befassen gedachte. Er stählte sich bei dem Gedanken an einen endlosen Tag voller Audienzen,
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