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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
Autoren: Nora Luttmer
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haben Sie jetzt den Mut wiedergefunden?«
    »Ich will zurück auf mein Boot. Wo soll ich sonst hin? Aber sie suchen nach mir. Sie wissen, dass ich versucht habe, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.«
    »Woher sollten sie das wissen?«, fragte Ly, und im selben Moment begriff er. Die Teamsitzung. Da hatte er von Thinh erzählt. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Wieso hatte er nicht auf seinen Instinkt gehört?
    Er zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und lud das Foto von Thanh hoch, das er gespeichert hatte. Thinh sah nur kurz auf das Display und nickte. »Sie ist die Freundin vom Boss. Seine rechte Hand.« Ly stützte seinen Kopf in die Hände und schloss für einen Moment die Augen.
    *
    Benommen von dem, was er gehört hatte, stand Ly auf. Draußen war es bereits hell. Die Luft war nach dem Regen der Nacht angenehm frisch. Aus dem Altarraum klang weiterhin der Gesang des Mönches. Ly verließ die Pagode und ging die Straße hinauf bis zur St.-Joseph-Kathedrale. Vor dem weit geöffneten Portal standen die Menschen, die im Innenraum keinen Platz mehr gefunden hatten, und folgten von dort der Morgenandacht. Die Predigt schallte blechern aus Lautsprechern an der Kirchenwand. Etwas abseits warteten die Motorradtaxis auf das Ende des Gottesdiensts.
    Ly ließ sich von einem der xe oms in die Phuong-Mai fahren. Der Mann, der Thanh überwachen sollte, döste an einem Teestand vor dem Haus. Ly ging an ihm vorbei und die Treppe hinauf. Auf sein Klopfen hin öffnete Thanh die Tür.
    »Du hier?«, fragte sie.
    »Störe ich?« Nur mit Mühe brachte er die Worte freundlich und mit einem Lächeln heraus, sah Thanh dabei aber nicht an. Er wusste, dass sie dann den Ekel, den er vor ihr verspürte, sehen würde.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie schnell. »Ich bin nur überrascht. Komm rein, meine Tochter ist nicht da.« Siehielt ihm die Tür auf und streckte ihre Hand nach seinem Gesicht aus. Er unterdrückte den Impuls, ihr auszuweichen.
    »Du wirkst vollkommen durcheinander. Ist etwas mit deiner Tochter?«
    »Wieso sollte was mit meiner Tochter sein?«
    »Ich, ich dachte nur«, stotterte Thanh. »Was ist denn los?«
    »Es ist nur dieser Fall«, sagte Ly und fühlte sich mit einem Mal unendlich müde. »Es ist dieses Mädchen, nach dem wir gefahndet haben. Sie wurde erschossen, direkt vor meiner Haustür.«
    Thanh hielt sich die Hand vor den Mund und schaute Ly mit aufgerissenen Augen an. Verfluchte Schauspielerin, dachte Ly. Sie wusste es doch längst.
    Ohne seine Schuhe auszuziehen, trat Ly in ihr Zimmer. Die Feuerfische kamen ihm plötzlich nicht mehr so schön vor. Hinter ihm öffnete Thanh die Kommode, und er hörte das weiche Fließen von Alkohol in ein Glas.
    »Hier, trink das, es hilft.«
    Er leerte das Glas in einem Zug und trank ein zweites. Seine Hände zitterten leicht.
    Er bat Thanh, ihm einen Kaffee zu kochen. Sie verschwand in der Küche auf der anderen Seite des Flures, und er hörte sie hantieren. Auf dem Bett hatte er ihr Mobiltelefon entdeckt. Er griff danach und klickte hastig die eingespeicherten Nummern durch.
    »Musst du telefonieren?« Er schrak zusammen und spürte, wie das Blut in seinen Kopf schoss. Er hatte nicht mitbekommen, dass sie das Zimmer wieder betreten hatte. Er dachte krampfhaft über eine Ausrede nach. Als ersich zu ihr umdrehte, hatte er seinen Gesichtsausdruck schon wieder unter Kontrolle.
    »Nein. Ich wollte meiner Tochter ein neues Handy schenken. So eines hier wäre nicht schlecht«, sagte er und versuchte, sich die Lüge nicht anmerken zu lassen.
    »Das ist kein Handy für Teenies. Kein MP3-Player, keine Kamera. Ich frag mal meine Tochter, was angesagt ist.« Immer noch lächelte sie ihn an.
    Ly stürzte seinen Kaffee hinunter und wandte sich zum Gehen.
    »Du musst schon los?«
    »Ich habe noch einen langen Tag vor mir.«
    »Sehen wir uns?«
    »Sicher«, murmelte er und hastete hinaus. Er hatte gefunden, wonach er gesucht hatte.
    *
    Auf der Straße zündete Ly sich eine Zigarette an, warf sie aber gleich wieder weg. Er mochte jetzt nicht einmal rauchen.
    *
    Ly hatte befürchtet, dass Parteikommissar Hung versuchen würde, die Sache still und heimlich aus der Welt zu schaffen. Doch nachdem Ly ihm Bericht erstattet hatte, sagte der Parteikommissar noch gar nichts. Zumindest nichts Verständliches. Er murmelte vor sich hin und lief dabei im Zimmer auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, den Blick auf den Boden
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