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Schwarze Pest aus Indien

Schwarze Pest aus Indien

Titel: Schwarze Pest aus Indien
Autoren: Stefan Wolf
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Stirnseite des Platzes wurde
beherrscht vom MOVIE, einem der größten Kinos der Stadt. Genaugenommen
versammelte es fünf Kinos unter seinem Dach. Keins hatte mehr als 60 Plätze,
zwei konnten nur 35 bzw. 42Besucher aufnehmen. In jedem wurde ein anderer Film
gezeigt, und abends war der Andrang gewaltig. Jetzt freilich breitete sich die
tote Hose bis auf die Straße vor dem Glasportal aus.
    Claudia hielt das nicht ab.
    Sie lehnte ihre Tretmühle an die
Hauswand, fummelte am Kabelschloß und zog dann ihre Pinkjacke über die runden
Hüften herab.
    Als sie im MOVIE verschwand, rückten
die Jungs näher.

    „Schlau“, stellte Tim fest. „Wenn sie
sich mit Knobel im Kino trifft, fällt das kaum auf.“
    „Und im Dunkeln können sie knutschen“,
nickte Klößchen, „besonders, wenn sie ganz hinten sitzen.“
    „Pech, daß wir kommen“, meinte Karl.
„Es bedeutet das Ende einer zarten Liebe.“
    Im Vorraum hingen eindrucksvolle
Plakate an den Wänden. Zwei Treppen führten hinauf — zu den Kinos D und E. Das
C-Kino, wo ein Zeichentrickfilm gezeigt wurde, war im Kellergeschoß
untergebracht. Die Eingänge zu den Lichtspieltempeln A und B befanden sich
ebenerdig, nämlich rechts und links der Kasse, die für den gesamten Laden
zuständig war.
    Im Vorraum hielt sich niemand auf.
    Tim trat zur Kasse.
    Die Frau hinter der Glasscheibe blickte
hoch von ihrer Strickanleitung für Winterpullover.
    „Tag“, sagte Tim. „Leider habe ich
meine Freundin verpaßt. Können Sie mir sagen, für welches Kino sie gelöst hat.
Sie...“
    „Woher soll ich wissen, wer deine Freundin
ist“, fiel die Kassiererin ihm ungnädig ins Wort.
    „Sie kann nicht viel Vorsprung haben,
ist wahrscheinlich gerade erst gekommen. Rote, kurze Haare, pinkige Jacke,
Wimpern bis hierher“, er bewegte die Hand vor der Nasenspitze, „und
Donald-Duck-Stimme.“
    „Du hast deine Freundin um eine Minute
verpaßt. Sie ist im C. Eine Karte?“
    „Drei. Bitte, die billigsten Plätze.“
    „Alle kosten dasselbe. Sechs Mark.
Macht achtzehn.“
    Tim winkte seine Freunde heran. Sein
Portemonnaie enthielt 5,80 DM, und Karl hatte überhaupt kein Geld bei sich.
    Klößchen grinste breit und zog einen
20-Mark-Schein hervor.
    „Ohne mich würdet ihr jetzt alt
aussehen, wie?“ Er wandte sich an die Kassiererin. „Und eine Tafel
Milchschokolade. Natürlich Sauerlich-Schokolade. Das ist global die beste. Wenn
noch was übrig ist — dann bitte Kaugummi für meine Freunde. „ Er strahlte die
Kassiererin an, als hätte er ihr das Geschäft des Jahrhunderts vorgeschlagen.
    Mürrisch händigte sie alles aus, auch
die restlichen 30 Pfennig.
    Klößchen bot Kaugummis an. „Zu dem Film
lade ich euch ein.“
    Karl tat, als wollte er ihm die Hand
küssen, kniend.
    Tim nahm insgesamt drei Kaugummis und
meinte, wer so reiche Eltern habe, könnte unbeschadet großzügig sein.
    Sie gingen die Stufen zum C-Kino
hinunter.
    „Notfalls“, flüsterte Tim, „kugele ich
Knobel den Arm aus. Dann wende ich einen Abführgriff an. Du, Willi, beruhigst
die Küchenschabe. Wahrscheinlich kreischt sie rum. Karl, du rufst Kommissar
Glockner an. Aber dazu brauchst du Münzgeld. Willi, gib ihm die Groschen.“
    Vor dem C-Eingang wurden sie abgefangen
von der Platzanweiserin.
    „Sehr voll?“ fragte Tim.
    Das Mädchen — vermutlich verdiente sie
sich hier ein Taschengeld — schüttelte den Schrägschnitt.
    „Mit euch sind’s erst fünf. Dabei ist
der Film zum Totlachen. Aber bei der ersten Nachmittagsvorstellung ist ja nie
viel los.“
    „Das wird sich gleich ändern“, meinte
Klößchen vieldeutig — und wurde von Karl in die Rippen geknufft.
    Der Hauptfilm lief bereits.
    Ein schwarzroter Stäublingskäfer, der
sich offenbar in einen Jagdflieger verwandeln konnte, raste durch den
Zelluloidhimmel und feuerte aus den Fühlern auf einen bösen Wanderfalken, der
eine schwarze Räuberlarve trug, und eine Smaragd-Eidechse in den Greifkrallen
hielt.
    ...ratatatatatat...
    Tim kniff die Augen zusammen und überblickte
die Sitzreihen von hinten.
    Das Pärchen — Claudia und ihr Macker —
saß in der drittletzten Reihe, hatte die Köpfe zusammengesteckt und tuschelte.
Worum es ging, war nicht zu verstehen. Die MG-Salven des Stäublingskäfers
überdeckten jedes Geräusch.
    „Das ist er“, hauchte Klößchen neben
Tim. „Ich erkenne den Hinterkopf. K-n-o-b-e-l.“
    „Wollt ihr Eiskonfekt?“ fragte die
jugendliche Platzanweiserin.
    Klößchen hatte beinahe ja gesagt, aber
Karl winkte
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