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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel
Autoren: Michael Connelly
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Wageninnere gefaßt und ihn gepackt hatten. Er konnte dieses Entsetzen nachempfinden, verspürte aber kein Mitgefühl. Diese Hände hatten sich schon vor langer Zeit nach ihm auszustrecken begonnen.
    Ein Hubschrauber senkte sich aus dem dunklen Himmel herab und landete auf dem Normandie Boulevard. Auf beiden Seiten gingen Türen auf, und Deputy Chief Irvin Irving und Captain John Garwood stiegen aus, um das Kommando zu übernehmen und die Ermittlungen zu leiten. Forsch schritten sie auf die Gruppe von Polizisten neben der Leiche zu. Der durch den Hubschrauber verursachte Luftzug hatte einen Zipfel des Umhangs von der Leiche geweht. Bosch konnte Chastains Gesicht in den Himmel starren sehen. Ein Polizist bückte sich und deckte es wieder zu.
    Irving und Garwood waren mindestens fünfzig Meter von Bosch entfernt, aber sie schienen zu wissen, daß er da war, und sie sahen beide gleichzeitig in seine Richtung. Bosch blickte unverwandt zurück. Garwood, immer noch in seinem tadellosen Anzug, machte mit der Hand, in der er eine Zigarette hielt , eine Geste in Richtung Bosch. Auf seinen Lippen lag ein wissendes Lächeln. Schließlich sah Irving weg und richtete seine Aufmerksamkeit auf den gelben Regenumhang, auf den er zuging. Bosch wußte, was jetzt kam. Der Mann, der alles hinbiegen mußte, war am Werk. Er wußte, wie der Fall gehandhabt würde und wie die offizielle Version lauten würde. Chastain würde ein Polizeimärtyrer werden: vom Mob aus einem Streifenwagen gezerrt, mit seinen eigenen Handschellen gefesselt und zu Tode geprügelt, seine Ermordung die Rechtfertigung für alles, was in dieser Nacht noch von den Händen der Polizei geschehen würde. Unausgesprochen würde es zu einem Tausch kommen – Chastain gegen Elias. Sein Tod – die Nachricht davon wurde bereits von den mechanischen Geiern über ihnen verbreitet – würde dazu benutzt, die Unruhen zu beenden, bevor sie richtig begonnen hatten. Aber außer einigen wenigen würde niemand erfahren, daß Chastain auch derjenige war, der alles ins Rollen gebracht hatte.
    Bosch wußte, er würde das Spiel mitspielen. Irving hatte ihn in der Hand. Denn er hatte das einzige, was Bosch geblieben war, das einzige, woran ihm noch etwas lag. Seinen Job. Er wußte, Irving würde ihn gegen sein Schweigen eintauschen. Und er wußte, er würde sich auf den Handel einlassen.

40
    B oschs Gedanken kehrten immer wieder zu dem Moment im Auto zurück, als er nichts mehr sehen konnte und die Hände spürte, die nach ihm griffen und grapschten. Trotz allen Entsetzens war eine lichte Ruhe über ihn gekommen, und jetzt stellte er fest, daß er den Moment fast in liebevoller Erinnerung behielt . Denn er hatte einen seltsamen Frieden verspürt. In diesem Moment hatte er eine fundamentale Wahrheit erkannt. Irgendwie wußte er, daß er verschont bleiben würde, daß der Rechtschaffene dem Zugriff der vom rechten Weg Abgekommenen entzogen war.
    Er dachte an Chastain und seinen letzten Schrei, ein Heulen, fast zu laut und grauenhaft, um menschlich zu sein. Es war der Laut gefallener Engel auf ihrem Höllensturz. Bosch wußte, er durfte es nie soweit kommen lassen, daß er ihn vergaß.
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