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Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Autoren: Steve Mosby
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nicht ganz sicher, ob sie brüllte oder flüsterte.
    Der Mann, der einmal ihr Bruder gewesen sein musste, lag jetzt in der hintersten Ecke des Bunkers. Sein Kopf war weg, zusammen mit dem größten Teil seiner linken Schulter. Die Wucht des Schusses hatte seinen restlichen Körper glatt über den Mann geschleudert, der weiter vorne auf dem Boden lag. Hannah vermutete, dass es sich um Neil Dawson handelte. Es war schwer zu sagen – er lag völlig reglos auf dem Rücken, und sein Gesicht war eine Maske aus Blut.
    Hannah starrte einige Sekunden auf Dawson, dann auf die Leiche ihres Bruders. Im Moment fühlte sie sich leer. Doch so schlimm das hier war, schien es irgendwie gar nicht mal so schlimm, musste sie plötzlich denken. Irgendetwas sagte ihr, dass Dinge, die sie zwar nicht verstand, aber als richtig empfand, sich so gefügt hatten, dass sie einen Schlussstrich ziehen konnte – als wäre es so oder so irgendwann so gekommen, wie es kommen musste.
    Sie warf krachend das Gewehr zur Seite, und die leere Patronenhülse sprang mit einem Klick heraus. Sie kniete sich neben Dawson, stellte sicher, dass seine Atemwege nicht blockiert waren, und rollte ihn behutsam auf die Seite. Dann trat sie in den Garten mit den stillen schwarzen Blumen hinaus und rief einen Krankenwagen.

Ein Jahr später
    32
    E s war ein gewöhnlicher Tag ohne den leisesten Anflug von Magie.
    Zumindest für die Menschen, die sich in Whitkirk auf die Promenade trauten. Viele von ihnen verbrachten hier einen spätsommerlichen Urlaub, auch wenn es das Wetter dieses Jahr Anfang September nicht so gut mit ihnen meinte wie im Jahr davor. Es war bitterkalt, der Regen peitschte schräg über die Küstenstraße. Hinter der Mauer tobten die Wellen. Sie schlugen wütend an die Quader, und gelegentlich spritzte eine Fontäne sogar über die Promenade selbst.
    Sobald der tosende Wind einmal für Sekunden nachließ, hörte Hannah die Geräusche von den Spielhallen bis hierher – das Siegesgebrüll der Gewinner, das enttäuschte Ooo-ch der Verlierer. Das Fisherman’s Catch tauchte vor ihr auf. Drinnen lehnte sich eine Kellnerin über einen Tisch am Fenster und versuchte, mit dem Ellbogen die Flecken auf der Platte abzuwischen. Gegenüber dem Café stand auf der Promenade eine Frau.
    Sie trug einen hochgeschlossenen Mantel, ihr schwarz gefärbtes Haar flatterte wie Bänder im Wind, und selbst von fern konnte Hannah sehen, dass sie sehr schön war. Zugleich haftete ihr etwas Geisterhaftes, Flüchtiges, beinahe Übernatürliches an. So, wie sie mit ihrer Handtasche dastand, hätte sie fast aus einem alten Kinofilm stammen können oder aus einer alten sepiabraunen Fotografie von der idyllischen Szene am Meer. Als Hannah auf sie zuging, kam ihr eine Zeile aus Die schwarze Blume wieder in den Sinn.
    … So als drehte sich die Welt im Schlaf auf die andere Seite, und dabei entwischte ihr eine Idee und nahm reale Gestalt an.
    Jedenfalls etwas in der Art.
    Nur dass diese Frau weder ein Geist noch eine Sepia-Erinnerung noch eine bloße Idee war. Sie war eine reale Person aus Fleisch und Blut, wenn auch ein Mensch, der sich mit einem Lügengebäude so überzeugend eine Identität zurechtgebastelt hatte, dass sie auch als Romanfigur taugte. Genau das war sie jedenfalls an den wenigen Tagen im Jahr, an denen sie hierher nach Whitkirk zurückkam.
    »Hallo, Charlotte.«
    Die Frau hatte tief in Gedanken aufs Meer hinausgeblickt und nicht bemerkt, wie Hannah sich ihr näherte. Sie zuckte ein wenig zusammen und schüttelte, während sie sich umdrehte, den Kopf.
    »Verzeihung?«
    »Du bist doch Charlotte, nicht wahr?«, sagte Hannah. »Charlotte Webb?«
    »Nein.«
    Die Frau gab sich verwundert, doch in dieser Weise überrumpelt, war sie keine halb so gute Schauspielerin wie bei anderen Gelegenheiten. Der Name hatte gesessen, und unter der Fassade war sie offensichtlich nervös und auf der Hut. Der Wind nahm zu, und der Frau flatterte das Haar ums Gesicht. Die Hand, mit der sie es sich wieder hinter die Schulter strich, zitterte ein wenig.
    »Tut mir leid«, wiederholte sie. »So heiße ich nicht.«
    »Oh, doch.« Hannah lehnte sich neben ihr an die Brüstung. »Wir wissen beide, wovon ich rede, und es sind nur wir beide hier, es bringt also eigentlich nichts zu lügen, oder?«
    Die Frau starrte auf das Café gegenüber. Sie spürte den Blick, der auf ihr lag. In Wirklichkeit hieß sie Suzanne Doherty. Im Moment fragte sie sich wahrscheinlich, wer zum Teufel Hannah war, und
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