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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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hat Ballast abgesetzt, die Masse dieser schweren Ausrüstung. Wir sind neun Seelen. Genau neun mit gutem Grund, damit die für neun von der Vorschrift zugelassene Wachstumsprogression der Prokopflast genutzt werden kann. Der Brutto-Prokopflast. Unsere Masse und die der schweren Station. Der Zuwachs an Last ist das Wesentliche und nicht der an Leistung. Die Leistung steckt mit drin. Leider. An unserer Leistung ist aber niemand interessiert. Niemand. Aber von der läßt du dir das Hirn vernebeln, Blicher. Nur von der!«
      »Ballast«, sagte Blicher, »das Wort bleibt dir nicht im Halse stecken, was?«
      »Man wird weitere Gruppen austakten, weiteren Ballast«, fuhr Jermakow unbeeindruckt fort, »Ballast! So ist das anzusehen. So nüchtern ist das anzusehen. Wie denn sonst? Begriffen, Poul?«
      »Danke«, sagte Lampoo beflissen, »vielen Dank.«
      »Und das ist wirklich wahr?« fragte Orlow, der die ganze Zeit über geschwiegen und die Arme zwischen den Knien hatte herabhängen lassen.
      Jermakow zog die Mundwinkel abwärts, Nachsicht ausdrückend. »Ich gebe euch diese Matrizen. Es sind genug Leute hier, die sie lesen können und denen die Kürzel sagen, was drinsteht. Zur Stufe M zwölf ist auch der Rechner installiert, dann wird alles deutlich abzulesen sein, was wann zu geschehen hat. Deutlich. Auch für dich, Blicher«, Jermakows Hand wedelte in die Richtung der noch unmontierten Bauteile, die an den Wänden lehnten.
      »Geschenkt!« schrie Blicher, seine Stimme überschlug sich, und sein Gesicht war heiß und dunkel geworden. »Davon redet keiner. Davon nicht!«
      »Bleib doch locker, Blicher«, sagte eine der Frauen von hinten.
      Blicher fuhr herum und sagte: »Ist das vielleicht alles, Doktor Bruceau, was Sie vorzubringen haben? Ach, ihr traurigen Figuren.«
      »Er meint, daß er’s genauso zum Kotzen findet wie du«, sagte Judy Bean, um Frieden zu stiften. Verborgener Eifer machte ihre Sommersprossen leuchten und die Haut um ihre Nase straff, sie sah sogar ein bißchen hübsch aus, als sie fortfuhr: »Er meint, er hat genauso wie du geredet oben vor der Leitung der BEAGLE und ist hinten runtergerutscht.«
      »Das Leben ist nun mal so«, sagte Rahel Bruceau mit unterminierter Gelassenheit, »immer zwingt es zu freiwilligen Einsichten.« Tschuk grinste.
      Jermakows lässige Haltung war wie zu spröder Masse erstarrt. »Wovon willst du reden?« fragte er. »Erklär’s mir, Blicher, wovon du reden willst.«
      Blicher kniff die Lippen zusammen. Ein Muskel zuckte und hob einen Mundwinkel zu einem absurden Grinsen. Dann sagte Blicher: »Die Berechner dieser Variante sitzen fast zwei Parsec von hier weg. Es ist etwas anderes, dort zu sitzen, in einem Büro, und zu planen für irgendwen, und es ist was anderes, selbst hier zu sein. Selbst. Jetzt und hier. Zwei Parsec dazwischen. Ist das nicht weit genug?«
      »Weit genug wofür?«
      »Um etwas anderes zu machen, als in ihren armen Hirnen jemals Platz hatte.«
      »Und das wäre, Blicher?«
      »Etwas anderes. Egal, was. Etwas anderes als den sturen Run von M eins bis T zwanzig…, als die Produktion von Ordnung und weiter nichts. Etwas anderes als ein Büro, um diese Ordnung zu verwalten.«
      »Also was?«
      »Egal. Was weiß ich? Es muß die Parsec wert sein«, und mit einer Geste ohnmächtigen Zorns: »Das da draußen ist einfach zu groß als Staffage für kleinkariertes Management.« Jermakow betrachtete seine Hände. Dann setzte Blicher sein Spielzeug wieder in Gang. Die Stille lagerte sich ab wie Staub, auf den das Geräusch der Blicherschen Spiele wie Wassertropfen herabfiel.
      »Ich glaubte, man hätte mir Profis gegeben. Und nun sind’s lauter Helden«, sagte Jermakow sanft.
      Auf dem Gang wurden Schritte laut, das Rollo zum Korridor rasselte nach oben, in der Öffnung erschienen Ana und Giron. Anas weißer Anzug leuchtete und verströmte Frische. Dahinter ragte lang und grau Giron.
      »Hallo!« rief Ana und lachte. »Wir sind wieder da. Warum seid ihr nicht alle draußen? Was macht ihr hier? Pläne?« In fröhlichem Entsetzen hielt sie die Hand vor den weitgeöffneten Mund. »Andrej, du bist ein Unmensch! Laß sie raus! Draußen ist es wunderbar.«
      »Kann die denn niemand mal abstellen?« fragte Tschuk. Ana suchte nach Gesichtern, nach Judys rotem Schopf, aber nicht einmal Judys Augen konnte sie einfangen. Ihr Blick hüpfte über die Köpfe hin, als alle Worte im Loch des Schweigens versanken.
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