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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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Stufe M fünf samt Inventur, in dreißig Stunden M sechs, dann ist ein bißchen Zeit bis M sieben und so fort. Ist doch normal. Oder?«
      »Und dann?«
      »Wird schon seine Weile dauern bis T zwanzig.«
      »Und draußen?«
      »Wo draußen?«
      »Draußen!«
      »Ach, da. Erkundung in konzentrischen Kreisen. Nach P elf«, sagte Tschuk. »Wie immer.«
      Blicher fuhr hoch. »Was soll ich mit der abgeleierten Formel? Was passiert draußen wirklich? Und wann?«
      Tschuk wies wortlos auf den von Jermakows Händen bewachten Matrizenstapel.
      »Alles in Rechnerausdrucken. Programmsprache. FORTRAN oder MOSAIK, nicht wahr?« fragte Blicher. »Wie ich das hasse!«
      Tschuk hatte eine glückliche Art von Naivität an sich, die nicht als Einfalt genommen werden durfte, er wußte ziemlich genau, was er sagte. Auf seinem schwarzstoppligen Bauerngesicht breitete sich das Lächeln aus, das er stets als erstes Werkzeug ansetzte, um Widerstände anzugehen. »Tja«, sagte er gedehnt, »das sind so Folgen des modernen Analphabetentums.«
    »Und du? Du hast es gelesen? Wann geht’s draußen los?«
      »Ich?« fragte Tschuk, tippte sich auf die Brust und erhob sich. Sein Lächeln erlosch, ein neuer Algorithmus schien anzulaufen, unversehens sah Tschuk sehr wachsam aus. Er musterte die Gesichter der Gefährten. Boris Orlow betrachtete die Phalanx der Matrjoschkas, die der Zukunft so überaus ungerührt entgegensahen. Lampoo, Blicher weit überragend, saß mit dem Rücken an der Wand. Der Mann sah sonderbar intakt aus nach all der Schufterei. Tschuk kannte Lampoos emailliertes Lächeln, den ewigen Ausdruck von Zuwendung und Vertraulichkeit, diesen gefällig geordneten grünen Buschen, den der Mann hinhielt, um sich dahinter zu verstecken. Lampoo war zu lang, um untertauchen zu können wie andere, wenn ihnen danach war. Er saß jetzt da wie auf der Lauer, mit gefrorener Gewogenheit. An Lampoo blieb Tschuks Blick hängen. »Nein«, sagte Tschuk, »ich kann’s auch nicht lesen. Menschenskinder, wer hatte für so was Zeit vor dem Ausstieg. Vor einem solchen Ausstieg Hals über Kopf. Wer hatte denn dazu Zeit?«
      Nichtige Zufälle verketteten sich zu einem fast magischen Effekt. Die Sonne war höher gestiegen, stach wie ein Schwert schräg in die Messe hinein, Tschuk tauchte in den grüngefilterten Strahl, das Licht entzündete sich an ihm, alle Dinge im Raum erloschen zu Grau, nur Tschuk nicht – und das, was er sagte. Er sah, wie die Köpfe der Frauen auseinanderfuhren, wich in den Schatten zurück, geriet, sich rückwärts zwischen die Stühle fädelnd, hinter den Tisch und an Jermakows Seite. Der neue Standort gewann symbolische Bedeutung. Tschuk blinzelte ins Helle und sagte: »Es gibt den Plan, die Direktive. Danach ging’s bis jetzt. Es ging vorzüglich. Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Ich sehe keinen. Nach einer legalen Planvariante hat man uns hier abgestellt. Und auch hier geht’s nach Plan weiter. Basta! Wie denn sonst? Ist doch normal. Oder?«

    3.

    Es schien wirklich, als gebe es nichts anderes, was gesagt werden konnte. Aber da hörte man Lampoo höflich und mit dem Ausdruck angespannten Interesses: Was das heiße, bitte, es gehe nicht um die Ökonomie dieser Arbeitsgruppe? Lampoos Schläue stand der Tschuks zu nahe, als daß Lampoo den anderen nicht zu durchschauen vermocht hätte. Er wandte sich an den Verantwortlichen, an Jermakow, als ob Tschuk gar nicht vorhanden sei. Ein Hauch von Pfefferminz wehte durch die Messe, als Lampoo gesprochen hatte.
      Tschuk setzte zu einer Antwort an, schärfer. Jermakow ließ eine Hand auffliegen, Tschuk stoppend, dann lehnte er sich zurück und fragte: »Was willst du, Poul? Daß ich’s selber sage? Mein Gott! Wo habt ihr euern Verstand?«
      Jemand seufzte.
      Jermakow schoß einen Blick dorthin, es war Tschuk, der geseufzt hatte. »So kann man das nicht machen«, sagte Jermakow zu Tschuk. Und dann, indem er die Matrjoschkas ins Auge faßte: »Es geht um die BEAGLE. Sie trägt das Programm. Das Programm Pfeilstern. Sie trägt die Verantwortung. Sie trägt das Herz. Die Ökonomie der BEAGLE ist das Wesentliche, ihre Schub-Masse-Ökonomie für den Rest des Jahres und für das kommende. Um sie geht’s, nicht um uns. Wozu sonst sind wir hier?«
      »Ich verstehe kein Wort«, krächzte Blicher.
      Jermakow hatte eine ungewöhnlich legere Haltung eingenommen. »Die Masse der BEAGLE ist um die unsere verringert worden«, erklärte er, »man
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