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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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es gut sein«, sagte er kalt. »Das Programm läuft auf der Linie des bestätigten Ablaufplans und keinen Zentimeter daneben. Keinen Zentimeter!«
      »Um das zu begreifen, brauche ich einen Monat«, murmelte Blicher erschöpft.

Andrej Jermakow

    Die Wirren der vierziger Jahre hatten auch in der Raumfahrt ihre Wirkungen. Einige davon, und gerade solche mit geringerer Unmittelbarkeit und Durchschlagskraft, als sie strategischen und ökonomischen Aspekten zukommen, bewahrten ein sonderbar zähes Leben.
      Zwei oder drei Jahrzehnte danach – je nachdem, wie man die Fixpunkte dieser Umwälzungen bewerten und als Daten setzen will – begann die Raumfahrt in ihre zweite Periode hinüberzuwachsen. Die Technik bediente sich neuer Maßstäbe, die Kosmonautik ging zum Gebrauch von Parsec über, um ihre Schritte zu messen. Das Wachstum der Reichweite war keineswegs ein zufälliges Geschenk. Es mangelte an spaltbarem Material und Antihelium, das man in größeren Tiefen des Kosmos zu erbeuten sich gezwungen sah. Die zerstörten Wälder wuchsen zu langsam nach, die Luft war zu trübe, das Wasser der Seen zu klar. Es bedurfte ungeheurer Energien, dieser tödlichen Form der Entropie Herr zu werden, mit der die Menschen umgegangen waren wie jener klassische Zauberlehrling. Aber diesmal erschien kein Meister in letzter Sekunde, wie ihn der Dichter zur Hand gehabt hatte. Man mußte mit sich selbst ins reine kommen, vorwärts zu genau dem Zustand, den die Buchstaben des Wortes bezeichneten.
      Wie längst vorausgesagt und dennoch unversehens war zu entscheiden, was man wollte. Die Menschen hatten entschieden, die großen Ziele waren gesetzt. Indessen gab es als langlebige Nachträge zur Auflösung der politischen Differenzen auf den öffentlichen, übernationalen Plattformen Unsicherheiten auf ganz anderen Ebenen. Der Standort jedes einzelnen Bürgers war durch eine Unzahl von Ordnungsprinzipien fixiert, das Leben lief in eingegrabenen Fahrspuren, aber niemand wußte sicher, welchen der vorgegebenen Spuren er zu folgen hatte oder ob und wann er aus ihnen ausbrechen sollte, um neue Wege ausfindig zu machen. Die Marken waren bekannt, ja allzu geläufig: Leistung – Erfolg – Glück. Doch viele überkommene Bremsen zogen diesen Weg in ermüdende Länge.
      Einer der Drehpunkte, deren Mechanik neu zu berechnen war, ohne daß jemand hinreichend genau hätte angeben können, wie, war die Frage der Psychologie von Kollektiven.
    Das galt auch für kosmonautische Mannschaften.
      Der Erfolg weiter Reisen hing vom Funktionieren der Mannschaften ab, wie sie zwei, sieben oder schließlich zwanzig Jahre mit sich und mit ihrer Aufgabe fertig wurden, wie ihre einzelnen Mitglieder mit sich selbst zu Rande kamen, auch dann, wenn widrige Umstände die Forderungen an den Mann und die Mannschaft auf die Spitze trieben. Man investierte hier auf Neuland, in unmittelbarem wie in bildlichem Sinne auf unbetretenem Gelände mit wahrhaft astronomisch hohem Quadratmeterwert. Der mathematische und sozialpsychologische Aufwand, der solchen Vorstößen in den Raum vorausging, war entsprechend. Man betrieb ihn kollektiv und wissenschaftlich und unter der Last einer schier unerträglichen Verantwortung. Es mangelte an Leichtigkeit erfahrener Routine. Wärme, Vertrauen, der Einfluß lebensbejahender Zuversicht mochten zu kurz kommen. Die Art der in die Zukunft zu projizierenden Organisationsformen stand unter fortwährender Kritik. Irgend etwas verlief natürlich immer in nicht vorhergesehener Weise, auch kam es zu Katastrophen.
      Das Ergebnis war paradox. Die für die Unternehmen obligaten Disziplinarverhältnisse erreichten am Ende experimentellen Charakter, es entstanden Projekte, bei denen Ablauf und Erfolg offen waren. Die Freiheitsgrade, die in den gültigen Direktiven für jede Reise und jeden Mann bestimmt wurden, pendelten zwischen den möglichen Extremen. Eine Reihe von Raumschiffen flog ohne benannte Kommandanten oder Leitungskollektive als in sich geschlossene Gemeinwesen unter der einzigen Vorgabe des Auftrags. Während einer anderen Periode bevorzugte man Leitlinien strengen Zentralismus. Sie spitzten sich zeitweilig auf autokrative Prinzipien zu, auf die Kategorien Befehl und Gehorsam. Es war die Zeit der Liner und der klassierten Kreuzer, der Kapitäne und flottenbefehligenden Admirale. Von dieser Zeit ist im folgenden die Rede.

    Es war das übliche dämmrige Milieu wie im Annihilationsleitstand eines schweren Liners. Aber es handelte
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