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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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Stichworte fielen wie ruhiger Regen. Die Ressortverantwortlichen hoben ihre Magnetkarten, grüne Diodenfunken auf den Karten quittierten Ordnungsmäßigkeit. Einiges fehlte. Auch der Meteorologe Giron. Mehr als der Mann fehlte die Magnetkarte seines Ressorts. Jermakow schenkte der Unebenheit fünf Sekunden. Montagerapport. Programme und Checklisten der zur Baustufe fälligen Kontrollen, Berichtstermine.
      Plötzlich gab es Differenzen. Jermakow stritt mit der Technikergruppe, mit Blicher, Tschuk und Judy Bean. Man sah jetzt, was für Papiere er auf dem Tisch bereithielt und wie sicher er diese Papiere beherrschte. Die Techniker sprangen sofort ins Detail. Mit Details verstanden sie umzugehen, Einzelheiten kannten sie sehr genau und zögerten nicht, Normzeiten, Toleranzen und Aufwände anzuführen, Maß und Zahl, die Verflechtung von Konsequenzen. Mit dem Hochmut der Taktiker widersetzten sie sich den Pauschalen des Strategen. Tschuk war auf einmal wieder wach, sogar bissig. Stühle rückten, die Frauen und Männer schienen alle zugleich aufeinander einzureden, sie sahen ein wenig verwildert aus nach der Montage. Wie komprimierte Moleküle reagierten sie expansiv auf Übermüdung und Enge. Es gab Augenblicke unbehaglicher Stille. Man lachte. Der Betrieb hatte etwas Ungehöriges an sich. Jermakow trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
      Dann war da eine Frage: »Und wozu das alles? Warum sind wir hier?«
      Niemand wußte, wer sie gestellt hatte. Später erst, Wochen später und ganz allmählich, gewann der Umstand an Gewicht, als man nach Anlaß und Gründen der Zwistigkeiten suchte, durch die die Mannschaft auseinanderfiel.
      Jermakow, von dem Antwort erwartet wurde, verhielt sich sonderbar. Seine Hände flatterten auf, fingen einander ein, fielen herab und blieben wie leblos liegen. Jermakows Miene gerann, er ragte hinter dem Tisch und schwieg.
      Die Lebhaftigkeit der Leute erlosch wie eine erschöpfte Flamme, und es blieb nichts als beunruhigte Luft über den Köpfen, das Gefühl des Abkippens einer gewohnten Ordnung. Jermakows Schweigen war plötzlich da wie ein abschlägiger Bescheid, ohne daß jemand anzugeben vermocht hätte, was denn dieses »abschlägig« bedeute.
      Eine Zeitlang waren Blichers Finger das einzige, was sich regte. Irgendein kleines mechanisches Teil war an ihnen hängengeblieben, die Finger schoben die Schwalbe dieses Teils in die zugehörige Führung, zogen sie wieder heraus, und jedesmal gab es ein schmatzendes Geräusch. Dann blieb auch das aus. »Also gut«, fiel Blichers heisere Stimme in die Stille, »wir sorgen dafür, daß wir am Leben bleiben, und erkunden einen Landeplatz für die BEAGLE.«
      »Ja. Weiter«, sagte jemand.
      »Meine Güte! Das hätte ich fast allein gekonnt«, sagte Blicher, sich nach dem Sprecher umwendend. »Mit dem Jeep. Oder Tschuk. Oder irgendein anderer.«
      Jermakow schob den Wust von Papieren und Matrizen zur Seite.
      »Das Ganze ist ein Kopf. Ein zu großer Kopf. Ein kompletter, ein erstklassiger Kopf, wenn ich mich umsehe, was hier so herumsitzt«, erklärte Blicher. »Aber es ist ein Kopf ohne Hände, die umsetzen, was er denkt.« Er hielt inne und betrachtete die Stelle des Tisches, auf der Jermakows Hände lagen. Dann schwenkte er seine eigene Pranke durch die Luft und wies sein Spielzeug vor, als könne es erklären, was er zu sagen hatte, oder als sei es geeignet als Beweis. »Der Kopf projektiert in die blanke Luft. Soweit ich begreife, haben wir nichts zu tun.«
      Jermakow blickte an Blicher vorbei und schien an etwas ganz anderes zu denken.
      »Der Kopf sieht den Fall, daß wir etwas zu tun haben, überhaupt nicht vor«, sagte Blicher mit plötzlich ausbrechender Heftigkeit.
      »So ein Unsinn«, sagte Tschuk, »es gibt doch einen Plan.«
      Jetzt endlich schien Jermakow aus seiner Lähmung zu erwachen, löste die Hände auseinander und schob einen Packen Matrizen vom Rand des Tisches ins Blickfeld, Beträchtlichkeit des Umfangs mit einer Geste dartuend. »Den gibt es«, sagte er.
      Ob etwas drinstehe, erkundigte sich Blicher.
      »Ja«, antwortete Jermakow.
      »Was denn?«
      »Ökonomie steht drin. Hauptsächlich von Ökonomie steht etwas drin. Aber nicht von der Ökonomie unserer Gruppe.«
      »Also steht nichts drin.«
      »Ach, Blicher«, sagte Jermakow müde.
      »Was für ein Unsinn!« fiel Tschuk ein. »Genau das steht drin, worüber wir uns hier mühselig einigen. Über Montage
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