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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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Rauschens verdichteten sich zu Funken, deren Anzahl zu- oder abnahm. Jermakow arbeitete virtuos. Was jetzt geschah, war Arbeit geworden. Es gab jetzt nichts anderes für ihn als den Trieb, diese Arbeit gut zu machen. Nach einer halben Stunde klebten seine Haare an der Stirn. Er hatte keine Hand frei. Bahr ging zu ihm hin und strich ihm die nassen Strähnen aus den Augen. In dieser Phase hatte er eine unglückliche Position, er fungierte nur als Double.
      Einmal brüllte die Stimme des Bootskommandanten in den Raum: »… Seid ihr gut, ihr Kerle! Mensch, Jermakow! Ihr solltet das sehen, das da draußen! Hinter uns ein blitzsauberer Tunnel! Genau zweitausend! Nur noch Gas dort und ein Haufen Strahlung. In zehn Minuten…«
      Bahr hatte sich zum Lautsprecher hindurchgewunden und schaltete ihn einfach ab. »Danke, Commander«, sagte er später über den Draht des Annihilationsoffiziers.
      Nach einiger Zeit zeigte sich das Hologramm nur noch schwarz und rein.
      Jermakow ließ sich in seinen Sessel fallen. »Passen Sie auf, bitte!« sagte er und deutete auf die leere Schwärze. Dann sah er zum Chronometer. Fast drei Stunden waren vergangen.
      »Der hat ’ne Ahnung«, sagte Bahr.
      Jermakow hielt die Augen geschlossen, spreizte und krümmte die Finger. Nach einigen Minuten verließ er den Sessel und las eine Ziffernfolge im Leuchtfeld des Pultes ab. »Knapp dreihundert Kilo«, sagte er, »das waren Murphys Tonnen.«
      Bahr schlurfte zum Sitz des Annihilationsoffiziers, Jermakows Stelle übernehmend. Er reckte seinen Hals, um das Informationsfeld abzulesen. »Aber fast zweitausend Objekte«, sagte er.
      »Sie sollten lieber aufpassen«, sagte Jermakow.
      Bahr riskierte dennoch einige Blicke zum Pult. »Es sind ein paar dicke Brocken dabei«, stellte er fest. »Sie können Murphy keinen Vorwurf machen.«
      Der Leutnant schwieg. Die Pause dauerte eine halbe Stunde. Während dieser Zeit saß er in dem Sessel, in dem Stratlater gesessen hatte. Man brachte ihnen zu essen. Jermakow löffelte schweigend aus dem hohen, saugfüßigen Henkeltopf. Es entging ihm, daß der gar keinen Blumenkohl enthielt. Bahr wollte nur Kaffee. Er visierte Jermakow an. Der Leutnant sah aus, wie er immer aussah. Seine Kiefer mahlten, aber er schien wirklich nicht zu wissen, was er aß.
      Dann traf das Boot auf den zweiten Schwarm der vagabundierenden Eispartikel. Bahr übernahm die Annihilation. Nach dem ersten Geplänkel stellte sich Jermakow hinter Bahrs Rücken auf. Bahr sagte das nicht zu. Jermakow las das Unbehagen von Bahrs Rücken ab, aber er blieb dort stehen wie ein Pfahl und wie in Erwartung eines Ereignisses.
      Bahrs Arme fuchtelten über dem Pult wie die des Schlagzeugers in gewissen Experimentalmusiken. Aber er arbeitete genau und wirkungsvoll. Zeitweise lagerten dichte Wolken elektronischen Rauschens in der Projektion, und es blieb zu lange unersichtlich, was für Partikel sie ankündigten.
      Eine der Wolken schien sich überhaupt nicht zu Punkten auflösen zu wollen. Endlich wurden Umrisse sichtbar, die Kontur eines einzigen mächtigen Boliden. Jermakow stand unbeweglich. Bahr wich auf den Weg des geringsten Widerstandes aus, er annihilierte kleinere Partikel des Umfeldes, deren er habhaft wurde. Es waren genügend viele, um ihn in Trab zu halten. Dann nahm der Bolid die Gestalt einer Doppelkugel an. Eine der Kugeln war mit dünnen Stacheln und mit anderen seltsamen Bildungen bewehrt. Bahrs Hirn arbeitete fieberhaft. Die Bahnen des Bootes und dieses bestürzenden Körpers liefen nicht auf eine Kollision hinaus. Aber nach Ablauf weniger Sekunden war dieser glückliche Umstand keineswegs mehr das Wesentliche. Je komplizierter sich die Umrisse entwickelten, um so weniger fremdartig wirkten sie.
      Jermakow ging zwei Schritte vorwärts, er schob Bahr zur Seite wie einen Gegenstand. Mit aller Bedachtsamkeit senkte er die Hände auf die Tasten. Er tat, was zu tun nötig war, um diesen Körper zu vernichten. Danach trat er zurück, das Feld dem Assistent-Leutnant zu überlassen.
      Bahr hatte zugesehen, wie das Bild erlosch. Für den Laser-Scanner des Colidar war ein Körper vorhanden oder nicht. Das Hologramm wandelte die Signale des Scanners zum Bild. Das Bild bestand so lange, wie es den Körper gab. Zu weiterem war dieses Auge des Bootes nicht imstande. Wasserdampf, verdampftes Silizium oder verdampften Stahl, hitzegleißende Atome, die in den Raum stoben, explodierende Wolken von Mesonen und Blitze
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