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Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz
Autoren: Aufbau
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nie etwas riskiert. Aber jetzt wagte er es. Auch er wollte wenigstens einmal in seinem Leben Anerkennung erhalten, deswegen hatte er sich auf dieses Hasardspiel eingelassen. Er untersuchte die Raketengeschäfte des Witwenmachers ohne die Genehmigung seines Vorgesetzten, obwohl der Fall eigentlich in die Zuständigkeit des UN-Waffeninspektors gehörte, der das für den Sudan geltende Waffenembargo überwachte. Seinem Chef gegenüber hatte er behauptet, er reise in den Sudan, um mit den dortigen Behörden darüber zu verhandeln, wie der Waffenschmuggel der Janjaweed-Milizen aus Darfur in den Kongo unterbunden werden könnte. Natürlich würde er diese Gespräche auch noch führen, aber erst dann, wenn seine Ermittlungen zu den Raketengeschäften abgeschlossen waren.
    Falls man ihn beförderte, könnte er mit seiner Familie Kenia verlassen,und das war sein zweites wichtiges Ziel. Helen machte sich ständig Sorgen wegen der Ausschreitungen in Nairobi und um die Gesundheit ihres Sohnes Oliver. Seine Frau war schwanger und wollte vor dem errechneten Termin nach England zurückkehren. Das neue Familienmitglied würde irgendwann um den 11. Juli herum seinen ersten Schrei von sich geben. Auch der Name stand schon fest – Olivia. Ein warmes Gefühl durchflutete ihn, als er an die Momente mit Oliver im Kreißsaal dachte, er hatte seinem Erstgeborenen ein Wiegenlied vorgesungen, ganz falsch, aber voller Inbrunst.
    Taylor stach die Gabel in das letzte Stück Schawarma, trank Wasser aus der Flasche und schaute auf seine Armbanduhr. In knapp zwei Stunden würde er Leo treffen. Er fand es amüsant, dass sie heutzutage Kollegen waren. Wer hätte gedacht, dass der schlimmste Störenfried in der Geschichte der Internatsschule von Winchester einmal in der gleichen Einrichtung arbeiten würde wie er. Taylors Gedanken schweiften zurück in die Zeit vor zwanzig Jahren. Er würde nie vergessen, wie ein blasierter Knabe, der einen albernen Witz über Leos finnische Herkunft gerissen hatte, gleich am zweiten Schultag eins mit dem Kricketschläger auf den Kopf bekam. Leo war unberechenbar und aggressiv, er selbst hingegen verstand es glänzend, jede noch so schwierige Situation durch seine Redegewandtheit zu meistern. Sie waren eben ein perfektes Team.
    Ein heftiger Wortwechsel in Arabisch riss Taylor aus seinen Gedanken. Zwei Einheimische, die das Restaurant betreten hatten, wurden vom Kellner unsanft am Arm gepackt und wieder hinausgeführt. Die armen Kerle wussten genau, dass sie sich im »Amwaj« nicht einmal ein Glas Wasser leisten konnten, weshalb versuchten sie es trotzdem? Merkwürdig war auch, dass zwei andere Kellner rasch die hölzernen Fensterläden schlossen. Taylor zahlte, trat in die stickige Hitze hinaus und bekam Sand ins Gesicht, der Wind wehte heftiger als sonst. Er hob die Hand schützend vor die Augen und erschrak. Eine gewaltige rotbraune Wand wälzte sich aus dem Norden auf Khartoum zu – ein Haboob. Die Sandstürme aus der Sahara konnten eine Höhe von einem Kilometer und eine Geschwindigkeit von fünfzig Stundenkilometern erreichen. Gleich würde eine donnerndeStaubwand so hoch wie ein Wolkenkratzer Khartoum unter sich begraben wie der Herbstnebel London.
    Am liebsten wäre er umgekehrt, aber er musste in seine Wohnung, um die Enthüllungen des Informanten zu notieren, jetzt hatte er sie noch frisch im Gedächtnis. Wegen des heraufziehenden Sturms floss der Verkehr auf der Airport Road ruhig dahin, normalerweise herrschte hier ein wirres Durcheinander von Bussen, klapprigen Rostlauben, Limousinen, Mopeds, Rikschas, Menschen und Eseln. Deshalb behaupteten die Ausländer auch scherzhaft, in Khartoum gebe es sieben Millionen Menschen, aber nur zwei Ampeln. Doch egal, wie chaotisch der Verkehr war, es glich eigentlich einem Wunder, dass ein Staat, der seit über fünfzig Jahren fast pausenlos Krieg führte, mit solcher Ruhe und Gelassenheit funktionierte.
    Gerade als Taylor eine Lücke im Strom der Fahrzeuge entdeckte und die Airport Road überqueren wollte, hörte er hinter sich das Aufheulen eines Motors, er drehte sich um und erblickte einen Geländewagen, der aus nur etwa zehn Metern Entfernung auf ihn zuraste. Er warf sich hin und rollte sich zusammen wie ein Igel, als der Wagen knapp einen Meter neben der Stelle, an der er eben gestanden hatte, gegen die Wand krachte. Ein stechender Schmerz zog durch seinen Arm, ein Splitter von der Stoßstange hatte sich ihm in die Haut gebohrt.
    Vor Schreck war sein Hirn wie
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