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Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz
Autoren: Aufbau
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dunkelhäutig waren, manche tiefschwarz, andere etwas heller.
    Leo Kara wartete voller Ungeduld auf sein Treffen mit Ewan Taylor. Ungeduldig war er immer, im Sudan jedoch eher selten. Es war erst kurz vor drei, um fünf Uhr wollten sie sich treffen.
    Schon seit etwa zwei Stunden lief Kara durch die Straßen der Dreistadt Khartoum, Omdurman und Nord-Khartoum beziehungsweise Bahri, die am Zusammenfluss des Weißen und des Blauen Nil lag. Nach der Landung seiner Maschine gegen Mittag war er nur auf einen Sprung im Hauptquartier der UN im Sudan gewesen, um sich anzumelden und umzuziehen.
    Der Schweiß floss ihm in kleinen Rinnsalen über die staubbedeckte Haut, seine Augen brannten, und die Sonne drang durch die kurzen blonden Haare seiner Igelfrisur und versengte ihm die Kopfhaut. Kara blieb am Stand eines einarmigen, von Fliegen umlagerten Händlers stehen, der lethargischer wirkte als seine Kollegen. Für zweihundert Dinar kaufte er sich eine weiße Schirmmütze und setzte sie auf. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und verzogsich in den Schatten. Die Briten hatten auch in dieser Stadt zahlreiche Kriege geführt, 1885 unterlagen sie den Sudanesen nach einer langen Belagerung, und 1898 schlug Lord Kitchener die sudanesischen Truppen in der Schlacht von Omdurman. Kara hatte als Jugendlicher in der Internatsschule einfach zu viel britische Kriegsgeschichte pauken müssen.
    Ewan hatte ihm nicht verraten, was für einem Verbrechen er in Khartoum auf die Spur gekommen war, sondern nur gesagt, dass seine Untersuchungen mit dem Schmuggel von Marschflugkörpern zusammenhingen. Irgendwie hatte Ewan es so gedeichselt, dass der Generaldirektor ihres Arbeitgebers, des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, auch ihn nach Khartoum beorderte. Vielleicht brauchte Ewan jemanden, der Arabisch sprach, oder er wollte einfach nur ein paar Tage mit seinem Freund zusammenarbeiten.
    Kara musste grinsen, als ihm einfiel, wie sie sich vor einer Ewigkeit kennengelernt hatten. Das war 1990 im Direktorenzimmer der Internatsschule von Winchester gewesen. Damals hatten sie mit heruntergelassenen Kniehosen und zusammengebissenen Zähnen dagestanden und sich angeschaut, während der Direktor ihnen mit dem Zeigestock Schläge auf den nackten Hintern verpasste, dass es klatschte. Das war die Strafe dafür, dass sie geraucht hatten. Sie freundeten sich an und überstanden gemeinsam die fünfjährige Tortur in der erzkonservativen Knabenschule, auf die reiche Briten ihre mit einem silbernen Löffel im Mund geborenen Söhne schickten, um sie loszuwerden. Ewan und er waren den anderen von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen, es reichte schon, dass sein Vater Finne und Ewans Mutter Inderin war.
    Der Lärm von Omdurman ging ihm auf die Nerven, genau wie die Mopedfahrer und Rikschas, die im Kamikaze-Stil durch den chaotischen Verkehr kurvten. Doch alles in allem empfand er die Reise in den Sudan als willkommene Abwechslung nach den dienstlichen Aufgaben der letzten Monate. Im Februar hatte er niedergeschrieben, was irakische Mädchen über ihre schreckliche Zeit als Sexsklavinnen berichteten. Im März hatte er bei Ermittlungen zu den immer grausameren Morden einer Pariser Heroinliga geholfen,und in den letzten Wochen hatte er ein Papier über Kindersoldaten erarbeiten müssen, die in den Einheiten eines Rebellengenerals in Sierra Leone umgekommen waren. Die Bilder verwester Leichen tauchten vor ihm auf.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf ein paar halbnackte kleine Jungs. Sie stürzten sich gerade auf eine Falafel, die einem Araber heruntergefallen war, der ein weißes Thobe-Gewand und auf dem Kopf eine Kufija trug. Diese Jungen verbrachten ihr ganzes Leben in einer Welt, in der man um jede Brotkrume kämpfen musste, und dennoch lächelten sie über das ganze Gesicht.
    Kara gefiel seine Arbeit im UNODC: Er durfte eigenständig umherreisen, es gab kaum stumpfsinnige Routineaufgaben, besondere Fähigkeiten auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen wurden so gut wie nie verlangt, die Aufträge wechselten oft, und am wichtigsten war, dass er nur einen Vorgesetzten hatte, den er zudem selten sah. An dieser Stelle musste er mit Zähnen und Klauen festhalten, in den beiden Jobs vorher hatte er absoluten Mist gebaut.
    Bei der Global Crisis Group, seiner ersten Anstellung, musste er den Hut nehmen, nachdem er seiner damaligen Freundin zuliebe an einer Demonstration gegen die Besetzung des Irak teilgenommen hatte,
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