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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot
Autoren: Qiu Xiaolong
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nehme.«
    »Ach, das habe ich ja ganz vergessen. Bei einem so umfangreichen Projekt werden Sie natürlich Hilfe bra u chen. Wie wäre es mit Weißer Wolke? Das Mädchen, mit dem Sie im Dynasty Karaoke Club getanzt haben, eri n nern Sie sich? Sie ist Studentin. Intelligent, kompetent, einfühlsam. Sie wird Ihre kleine Sekretärin sein.«
    Eine »kleine Sekretärin« – xiaomi –, auch so ein ne u modisches Wort, das eigentlich »kleines Verhältnis« b e deutete. Die neureichen Geschäftsleute, die Herren Großkotz, wie auch Gu einer war, legten Wert auf die Begleitung einer »kleinen Sekretärin«, ein zwingendes Accessoire ihres sozialen Status und mehr. Chen hatte Weiße Wolke, eines der »K-Mädel«, in einem Separee in Gus Karaoke-Club getroffen, als er dort in einem Fall ermittelte, in den auch Triaden verstrickt waren.
    »Wie soll ich mir denn die Hilfe einer Sekretärin le i sten können, Generalmanager Gu?«
    »Es liegt im Interesse der New World, daß Sie solche Hilfe bekommen. Lassen Sie das nur meine Sorge sein.«
    Der Duft aus ihren roten Ärmeln begleitet dein Schreiben bis tief in die Nacht… die Zeile aus einem Tang-Gedicht stieg aus den Tiefen seines Geistes auf, doch Chen rief sich wieder in die Gegenwart zurück. E i ne kostenfreie kleine Sekretärin, das wäre die Flasche Maotai zu den vom Himmel fallenden Mondkuchen.
    Bislang war er auf keinen Haken gestoßen, überlegte Chen. Ein gerissener Geschäftsmann wie Gu würde n a türlich nicht sofort all seine Karten auf den Tisch legen, doch Oberinspektor Chen sah bislang noch keinen Grund zur Beunruhigung. Es schien, als machte man ihm ein seriöses Angebot, wenngleich es ungewöhnlich großz ü gig war. Falls er später irgendwelche Haken entdecken sollte, konnte er immer noch reagieren.
    Es gibt Dinge, die ein Mann tun kann, und Dinge, die ein Mann nicht tun kann. Das war einer der Konfuzius-Sprüche, die sein Vater, ein neokonfuzianischer Geleh r ter, ihm während der Kulturrevolution beigebracht hatte. Damals hatte der alte Herr sich geweigert, ein diktiertes »Geständnis« zu schreiben, das seine Kollegen denu n ziert hätte.
    »Ich muß erst mit Parteisekretär Li sprechen«, sagte Chen. »Ich rufe Sie morgen zurück.«
    »Er wird Ihnen das nicht abschlagen, das weiß ich. Sie sind sein aufsteigender Stern, ein Mann mit Zukunft. Hier ist ein Teil des Vorschusses.« Gu zog einen prallen Umschlag aus seiner Brieftasche. »Eintausend Yuan. Den Rest lasse ich Ihnen morgen bringen.«
    Chen steckte den Umschlag ein und nahm sich vor, nicht weiter darüber nachzudenken. Es gab anderes, das ihn beschäftigte. Er würde seiner Mutter eine Schachtel roten Ginseng kaufen. Das war das mindeste, was er als einziger Sohn für sie tun konnte. Vielleicht sollte er auch eine stundenweise Haushaltshilfe engagieren, denn seine Mutter lebte trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit allein im Dachgeschoß eines alten Hauses. Er leerte sein Glas und sagte: »Hier trinke ich mit dir n ach Herzenslust, mein Pferd ist nah dem hohen Haus an einer Weide a n geleint.«
    »Ist das eine Anspielung? Klären Sie mich auf, mein poetischer Oberinspektor.«
    »Nur ein Zitat von Wang Wei«, erwiderte Chen ohne weitere Erklärung. Die Zeilen bezogen sich auf ein Ve r sprechen, das ein Edelmann der Tang-Dynastie gegeben hatte. Er und Gu dagegen hatten lediglich ein Geschäft abgeschlossen, man erwartete keine heroischen Taten von ihm. »Ich werde mein Bestes tun.«

3

    Der Bus, voll wie eine Sardinenbüchse, steckte im mo r gendlichen Verkehrsstau fest. Als Polizist mit niedr i gem Dienstgrad stand Hauptwachtmeister Yu nicht wie Obe r inspektor Chen ein Dienstwagen zur Verfügung. Aber an diesem Morgen durfte Yu sich glücklich schä t zen, daß er in dem überfüllten Bus gleich nach dem Einsteigen einen Sitzplatz ergattert hatte. Er knöpfte die Uniformjacke auf und hatte genügend Zeit, um über den neuen Mordfall nachzudenken.
    Parteisekretär Li hatte schon in aller Früh angerufen, um ihm zu sagen, daß Oberinspektor Chen Urlaub g e nommen hatte und er, Yu, den Fall Yin übernehmen so l le. Kurz darauf hatte Chen sich gemeldet und erklärt, er sei zu Hause mit der Übersetzung eines Projektentwurfs beschäftigt und könne nicht zum Dienst kommen. Yu würde also im Fall Yin allein ermitteln.
    Über Yin Lige waren bereits Informationen gesammelt worden. Man hatte ihm eine umfangreiche Akte aus dem Shanghaier Informationsbüro und anderen Quellen in die Hand gedrückt. Dieser
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