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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit
Autoren: Jael Backe
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Muttermilch einen großen Schritt näher. Daneben werden stillende Mütter abgebildet.
    Auf diese Weise wird industriell gefertigte Babynahrung so dargestellt, als sei sie der Muttermilch ebenbürtig. Das ist eine gezielte Täuschung. Lassen Sie sich als Verbraucherin und Mutter davon nicht irritieren.
    Der Protest zahlreicher Fachverbände gegen diese Werbemaßnahmen hat bislang leider zu keiner Reaktion auf der Seite der Industrie geführt. Hier sind die Überwachungsbehörden gefragt. Aber auch die Ärzte sollten an der Einhaltung ethischer Vermarktungsregeln interessiert sein und sich gemeinsam gegen kommerzielle Interessen in der Medizin starkmachen.
    Fazit: Stillen braucht Schutz, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt, aber leider auch in den Industrieländern: Schutz gegen die weltweiten Interessen der Hersteller von Säuglingsnahrung, die Muttermilch durch künstliche Babynahrung ersetzen wollen.
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Entmündigende Vorsorge – Wie Sie durch medizinische Kontrolle beeinflusst werden sollen
    Vermutlich fühlen Sie sich bei diesem Thema daran erinnert, was ich in Kapitel 2 über die unkritische Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln in Frauenarztpraxen beschrieben hatte. Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere mit Multi-Vitamin-Anteil haben keinen ersichtlichen Vorteil. Nicht einmal eine schädliche Wirkung ist auszuschließen. Doch die Markt­interessen der Hersteller in diesem Bereich sind immens. Brauchen wir also auch einen »Kodex gegen die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln«?
    Gesundheit ist zum Konsumgut geworden. Können und müssen wir die Endverbraucher vor den Marktinteressen der Gesundheitsindustrie schützen? Wie viel politischen Schutz braucht die Gesundheit, ohne die Freiheit des Einzelnen einzuengen?
    Der Philosoph Hans Jonas weist in seiner Schrift Das Prinzip Verantwortung auf die Gefahren der »Verhaltenskontrolle« durch medizinische Einmischung hin. Am Beispiel des Einsatzes von Psychopharmaka beschreibt er einerseits die Befreiung des kranken Menschen von quälenden Symptomen und andererseits den manipulativen Charakter solcher Maßnahmen (Jonas 2003). Genau diese soziale Manipulation ist in zunehmendem Maße auch ein Problem in der Schwangerenvorsorge.
    Fazit: Themen wie Übergewicht, Schwangerschaftsdiabetes, die sogenannte Förderung des Stillens – hier kommen Kontrollmethoden zum Einsatz, die empfindlich in den persönlichsten Bereich jeder einzelnen Frau eingreifen. Jonas beschreibt dies allgemeiner: »Zahlreiche Fragen der Menschenrechte und der menschlichen Würde erheben sich hier; das schwierige Problem von entmündigender gegenüber freigebender Fürsorge drängt auf konkrete Antworten.« (Jonas 2003).

    Dieser Satz ist ein zentraler Satz für unsere Vorsorgemedizin: Sie darf nicht zur entmündigenden Fürsorge werden!
Stillen polarisiert
    Die französische Feministin Elisabeth Badinter wehrt sich gegen die Moralisierung des Stillgedankens und gegen die Einmischung der Politik in derart persönliche Entscheidungen einer Frau: »Das geht Politiker gar nichts an« (Interview mit Elisabeth Badinter, 23.08.2010). Ihr berühmtes Buch Der Konflikt. Die Frau und die Mutter befasst sich kritisch mit der heutigen Frauenrolle. Mit ihren Gedanken streut sie mutig Pfeffer in die Diskussion um das Stillen. Sie traut sich, einer Stillverklärung und einer Heroisierung der Mutterschaft entgegenzutreten, die, wie sie meint, vor allem auch bei jungen deutschen Frauen heute weitverbreitet ist.
    Badinter beschreibt die typischen Mutterideale in verschiedenen Ländern. Der französischen »Rabenmutter« stellt sie die aufopfernde deutsche Mutter, die italienische »Mamma« und die dienende japanische »Kenbo« gegenüber. Insbesondere auf den jungen Frauen in Deutschland laste der Druck, sich dem ideologisch vorherrschenden Modell der »guten Mutter« anzupassen, ihre eigenen Interessen komplett denen des Kindes unterzuordnen und rund um die Uhr für das Kind verfügbar zu sein. Wenn die jungen Mütter dies nicht täten, würden ihnen Schuldgefühle suggeriert: Ihr »mangelndes mütterliches Verhalten« gefährde angeblich die körperliche und seelische Gesundheit des Kindes. Badinter spricht von einer in Deutschland vorherrschenden »maternalistischen Ideologie«, die es bereits im 18. Jahrhundert in
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