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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit
Autoren: Jael Backe
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schämen sich und befürchten, psychisch »nicht normal« zu sein. Viele Ärzte sind von derartigen Berichten erschreckt und überfordert. Schnell gerät eine Frau dann in den Verdacht, an einer Wochenbettdepression oder einer anderen psychischen Störung zu leiden. Häufig ist dies aber nicht der Fall.
    Negative Empfindungen sind meistens vollkommen »normale« Regungen junger Mütter – ein Ausdruck der Anpassung an eine neue weibliche Rolle, eine Auseinandersetzung mit einer neuen weiblichen Identität.
    Das ist die Kehrseite des ganzen Stillkitsches, der heute auf uns Frauen losgelassen wird: Es wird ein Bild der jungen, permanent glücklichen stillenden Mutter entworfen – eine immerzu lächelnde, mit sich und der Natur in Einklang lebende Frau. Dieses Bild ist so wenig realistisch wie Werbefilme, die das Familienleben verklären, um Frühstücksmargarine anzupreisen.
    Muttersein bedeutet nun einmal nicht nur Liebe, Freude, Brustgeben, innige Beziehung und tiefe innere Befriedigung. Auch die Schattenseite der Empfindungen gehört zum Gesamtpaket der Mutterschaft: Ablehnung, Überforderung, Allein-sein-Wollen, Abgrenzung, Unzufriedenheit, ja sogar Reue, dass man überhaupt Mutter geworden ist, und Hass gehören dazu. All das sind »erlaubte«, ehrliche und natürliche Gefühlsregungen einer Mutter.
    Deswegen kann es durchaus ungünstig für die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Baby sein, wenn Sie beide sofort für 24 Stunden im Rooming-in »zusammengesperrt« werden – mit verordnetem Dauer-Hautkontakt. Vor allem wenn Sie aus ihrer Lebensgeschichte heraus besondere Probleme mit allzu großer Nähe haben, kann es in dieser Situation zu einer krisenhaften Zuspitzung kommen und Gefühle von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit können auftreten.
    Der Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz schreibt: »Aber zuzugeben, dass Kinder auch nerven (…), das getraut sich kaum noch eine Mutter.« Er fügt hinzu: »Aber (…) Ärger und Genervtheit (…) sind ebenso normal wie Trauer und Schmerz über kindliche Unglücke (…)« (Maaz 2009).
    Erkennen, akzeptieren und integrieren Sie diesen kinderfeindlichen Anteil, der neben dem liebenden Anteil in jeder Frau vorhanden ist. Erst wenn Sie diese Gefühle nicht wahrhaben wollen und verleugnen, können daraus Probleme entstehen.
Stillen ist etwas Persönliches und Privates
    Ich halte es für sehr wichtig und ich wünsche mir, dass das Stillen zukünftig kein vorwiegend politisches Anliegen mehr ist. Wir sollten wegkommen von der Propagierung und Glorifizierung des Stillens durch die verschiedensten Institutionen – das geschieht ohnehin nicht immer aus uneigennützigen Gründen. Stillen sollte ein privates Geschehen sein, das als solches allgemein respektiert wird.
    Stillen ist etwas Persönliches, etwas Intimes. Es geht keinen etwas an außer Mutter, Vater und Kind. Diese Privatsphäre braucht einen unbedingten Schutz vor Einmischung von außen, mag sie auch noch so gut gemeint sein. Stillen ist Ernähren, ist Geben und Nehmen, es ist ein mehrschichtiges Geschehen zwischen Liebe und Ablehnung. Stillen befindet sich zwischen Nähe und Distanz, beides muss möglich sein. Stillen sollte nichts Ideologisches an sich haben. Und es muss auch erlaubt sein, nicht zu stillen, ohne dass eine Mutter sich als Rabenmutter fühlen muss.
    Fazit: Was ist eine gute Mutter? Mit Elisabeth Badinters Worten gesprochen ist das eine Frau, der es gelingt, »eine gewisse Distanz zu ihrem Kind zu halten, nicht zu nah, nicht zu weit weg zu sein, ihm zu geben, was es braucht, nicht zu abwesend und nicht ständig anwesend zu sein. Irgendetwas genau dazwischen …« (Interview mit Elisabeth Badinter, 23.08.2010).

    6  BFHI ist die Abkürzung für »Initiative Babyfreundliches Krankenhaus«. Unter BFHI-Kriterien versteht man, dass Kinder, die nicht direkt an der Brust trinken, Mutter- oder Frauenmilch ausdrücklich nicht mit der Flasche erhalten, sondern dass spezielle Zufüttermethoden für gestillte Kinder angewendet werden.
    7  In diese Berechnung wurden alle kindlichen Fälle von Darmentzündungen, Mittelohrentzündungen, Atemwegsinfektionen, Neurodermitis, Asthma, Typ-I-Diabetes, Übergewicht sowie plötzlichem Kindstod einbezogen, die durch das Stillen hätten vermieden werden können.
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