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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache
Autoren: Klaus Wanninger
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von ihm ab. Auftritte dieser Art kannte er zur Genüge. Alle paar Tage, manchmal sogar Stunden, zog der überforderte Alte seine Schau ab. Immer, wenn er vor seinen Vorgesetzten antreten und über die Fortschritte der neuesten Ermittlungen Rechenschaft ablegen musste.
    Braig sah aus dem Fenster, betrachtete den unaufhörlich fließenden Strom von Autos, der zu Füßen des Landeskriminalamtes auf der nahen Hauptstraße vorbeirollte. Bei der astronomischen Anzahl von Fahrzeugen im Tunnel an die Wand gebunden, die ganze Nacht, überlegte er. Der Lärm, die Abgase, der Gestank. Wahrhaftig eine kreative Art, jemanden fertigzumachen.
    »Herrgott noch mal, Braig, mir ist nicht zum Scherzen zumute. Die Sache ist todernst. Die wollen Ergebnisse sehen. Droben im Ministerium. Uns bleibt nicht viel Zeit.«
    »Schön, schön. Und was soll ich tun, um die hohen Herren ruhigzustellen?«
    Er kannte Güblers Angst vor allen Anweisungen von oben nur zu gut, verachtete seine unterwürfige Kriecherei. Aber er konnte beim besten Willen nicht erkennen, wieso die Sache im Tunnel so viel Aufregung verursachen sollte.
    »Sie wissen doch genau, wo Sie sich umsehen müssen, Sie kennen die einschlägigen Adressen. Klappern Sie alle ab, auf der Stelle. Alles, was irgendwie mit Grün zu tun hat. Wir dürfen diesen Terroristen das Feld nicht ohne Gegenwehr überlassen. Die Moral ist verludert genug!«
    Braigs Stirn legte sich in Falten, sein Rücken überzog sich mit Gänsehaut. Er konnte nichts dagegen unternehmen, es geschah ohne sein Zutun, sobald der Alte wieder eine seiner Platten auflegte. Die mit der Moral gehörte zum Standardprogramm, war manchmal mehrfach am Tag zu hören. Obwohl er es schon auswendig kannte, reizte ihn Güblers Geschwafel jedes Mal aufs Neue. Es sind immer die Richtigen, die von Moral reden, dachte er, gerade die, die es am allernötigsten haben. Als ob die Moral nicht schon immer verludert gewesen wäre, jedenfalls in bestimmten Kreisen.
    »Um Ihnen die Brisanz dieser Angelegenheit zu verdeutlichen«, knurrte Gübler, »wir haben Hinweise ...« Sein Blick schweifte unruhig im Raum umher.
    »Ja?«
    »Die Entführung steht in Verbindung mit dem Attentat auf den Minister.«
    »Welchen Minister?«
    »Kering«, erklärte Gübler.
    Braig sah ihn mit großen Augen an. Daher also weht der Wind, überlegte er, deshalb die Aufregung. Kaum sind irgendwelche Bonzen im Spiel, schon rotiert die Meute in den oberen Etagen.
    »Sie glauben immer noch an Sabotage?«
    Gübler schnaufte laut, schlug mit der Faust auf die Schreibtischplatte. »Braig, wann begreifen Sie endlich? Es geht nicht um Glauben, das sind Tatsachen! Der Hubschrauber ist abgestürzt, der Minister hat nur durch ein Wunder überlebt.«
    »Als er landen wollte, tobte ein Schneesturm«, erwiderte Braig, »es herrschten völlig widrige Wetterverhältnisse.«
    Gübler schüttelte energisch den Kopf. »Nehmen Sie die Sache endlich ernst! Das Leben des Ministers ist bedroht.«
    Die Medien hatten sich im letzten Winter tagelang mit dem Thema beschäftigt. Werner Kering, der von verschiedenen Skandalen und Affären gebeutelte Wirtschaftsminister Baden-Württembergs, war auf dem Rückflug mit seinem Diensthubschrauber im dichten Schneetreiben abgestürzt. Das Unglück hatte sich nur wenige Meter über dem Boden ereignet, eine Tatsache, die dem Minister nach Aussage der Ärzte das Leben rettete. Dennoch war ein längerer Aufenthalt in verschiedenen Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken unumgänglich, der Mann für mehrere Monate ans Bett gefesselt. Neben dem Bruch eines Lendenwirbels wurden mehrere äußerst schmerzhafte Prellungen diagnostiziert. Die Piloten des Hubschraubers hatte es noch weit schwerer getroffen: Beide litten seit dem Unfall an langwierigen physischen und psychischen Verletzungen. Noch Wochen nach dem Geschehen wurden sie von nervenzehrenden Albträumen heimgesucht, die ihnen fast jede Nacht den Schlaf raubten.
    Die Unglücksmaschine selbst hatte den Absturz nicht überlebt. Die Bilder ihrer schrottreifen Überreste waren durch die Medien gegangen, ihr demolierter Rumpf im Gewahrsam der Experten des Landeskriminalamtes gelandet. Ein abschließendes Ergebnis der Unfallursachen lag bisher nicht vor. Klar war nur, dass der Minister einen Schutzengel an seiner Seite gehabt hatte, einen, der es besonders gut mit ihm meinte.
    »Kering ist in Gefahr, verstehen Sie?«
    Braig schüttelte den Kopf. »Mir ist nicht bekannt, dass die Untersuchungen irgendeinen
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