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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache
Autoren: Klaus Wanninger
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Leute, die sich für das Leben und die Belange der Natur und gegen die egoistischen Interessen der Industrie einsetzen, werden bei uns nicht sonderlich sanft behandelt. Das kann ich leider aus eigener Erfahrung belegen, hier zum Beispiel.« Sie schob den rechten Ärmel ihres Shirts über die Schulter und zeigte ihm ihre Oberarmmuskeln. Er sah die breiten blauen Flecken sofort. »Letzte Woche. Wir haben gegen den vierspurigen Neubau der B 14 demonstriert. Ein Souvenir von Ihren Kollegen.«
    Braig schwieg, überlegte, wie er sich verteidigen konnte.
    »Die Polizei – Handlanger der Mächtigen?«
    »Tut mir leid«, erwiderte er, »werden wir dabei aber nicht von machtgierigen Politikern und Profiteuren für deren Interessen missbraucht?«
    »Das mag sein. Auf jeden Fall stehen Sie zurzeit ganz schön unter Druck, sonst kämen Sie nicht so liebedienerisch daher.«
    »Wir haben Angst vor einer neuen Spielart des Terrorismus. Nach Linken und Rechten jetzt Grüne? Wir wollen vorbeugen.«
    Braig fühlte sich selbst nicht wohl, als er sich die Sätze sagen hörte. Das Sprachrohr des Alten, überlegte er. Was Gübler in seinem Verfolgungswahn daherlabert, wird von seinen Marionetten weiterverbreitet. Da verbringt so ein Bonze eine Nacht im Tunnel statt in der Kneipe, und schon wird allgemeine Hysterie geschürt.
    »Grüner Terrorismus?«, hakte die Geschäftsführerin des BUND nach. »Ein hartes Wort für das, was passiert ist, nicht? Woher wollen Sie wissen ...«
    »Das Bekennerschreiben. Es weist eindeutig in diese Richtung. Darf ich Ihnen eine Kopie vorlegen?«
    Sie nickte, las das Blatt, das Braig ihr reichte.
    »Verstehe ich nicht«, meinte sie und sah ihn mit großen Augen an, »teilweise macht es mich echt betroffen. Aber dann sind wieder Passagen dabei, die ich nur als dummes Gefasel bezeichnen kann.«
    »Zum Beispiel?«
    »
›Wir kämpfen dafür, die alten Zustände wiederherzustellen‹
«, zitierte sie, »ist doch Schwachsinn. Niemand kann ernsthaft in die Vergangenheit zurückwollen. Das ist plumpe Verherrlichung unmenschlicher Zustände. Naives Vergessen unsozialer Strukturen. Wir wollen eine menschlichere Zukunft, nicht zurück in eine zum Glück vergangene Epoche.« Sie lief durch den Raum, um eine Wasserflasche zu holen. »Darf ich Ihnen ein Wasser anbieten?«
    Er nickte.
    »Vorausgesetzt, das Schreiben ist überhaupt echt«, meinte sie.
    »Glauben Sie nicht?«
    »Ich dachte zuerst an eine bewusste Verunglimpfung aller Grünen.«
    »Jetzt auch noch?«
    »Zugegeben, es klingt nicht nach einer harmlosen Spielerei. Aber grüner Terrorismus, mit dieser Aussage? Nein!«
    »Der Mann wurde entführt«, entgegnete Braig mit Nachdruck. »Er verbrachte eine Nacht im Tunnel. Waren Sie schon einmal dort?«
    Marion Reimer nickte. »Durchgefahren. Klar, schon oft.«
    »Ich war heute Vormittag zu Fuß in der Nische. Es ist die Hölle. Sie können es sich nicht vorstellen.«
    Steffen Braig dachte an die Minuten, die er am und in der Nähe des Tatorts verbracht hatte. Es war nicht zum Aushalten gewesen. Auto an Auto. Lärm, Abgase, Gestank.
    Marion Reimer schaute ihn mit großen Augen an. »Das ist schlimm für den Mann. Aber wissen Sie auch, wie viele Menschen direkt an der Straße wohnen, auf der anderen Seite des Tunnels? Mehrstöckige Wohnhäuser, kilometerweit an der vierspurigen Trasse aneinandergereiht. Die erleben denselben Wahnsinn, nicht nur für eine Nacht.«
    »Das ist keine Entschuldigung für die Tat«, erwiderte Braig.
    »Ist es nicht, nein. Sie haben recht. Ich verurteile sie auch, genau wie Sie«, erklärte Marion Reimer. »Aber wenn das Schreiben echt ist, war das nur eine Notlösung, eine Art Kurzschluss. Als seien sie in die Enge getrieben worden und wüssten keine andere Lösung mehr, auf ihr Problem aufmerksam zu machen. Immerhin haben sie den Mann gut behandelt.«
    »Er berichtet das Gegenteil. Mit brutaler Rücksichtslosigkeit seien sie aufgetreten, behauptet er.«
    »Komisch, oder? Das passt überhaupt nicht zusammen.« Marion Reimer überlegte. »Entweder das Schreiben stimmt, dann können sie wohl kaum brutal gewesen sein, weil sie ihre eigene Idee damit ad absurdum geführt hätten. Oder sie waren brutal, dann ist das Schreiben eine Irreführung.«
    »Klingt durchaus logisch«, bestätigte Steffen Braig, »Sie sprechen mir aus dem Herzen. Wenn es so einfach zu lösen ist.«
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte sie.
    »Ja?«
    »Das Schreiben ist echt, und die Leute waren nicht
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